Afrika Quer (German Edition)
so wichtig.
Nun sah ich auf einmal französische Soldatengattinen mit dunklen Sonnenbrillen und modischen Frisuren in der Sonne glitzernde Geländewagen durch die Straßen steuern und Teenager in westlicher Kleidung und ohne Hijab in kleinen Gruppen vor den Vorstadtschulen herumlungern. Keine Sandhaufen, dafür aber geteerte Straßen und richtige Hochhäuser, Restaurants, Läden und Kinos mit schreiend bunten, riesig wirkenden Plakatwänden für Hollywoodfilme: Leben! Ja, es hatte mich wieder. Mann, war ich froh.
Hotel de la Paix (Dschibuti-Stadt)
Ich sah gleich, was im Hotel de la Paix los war. Ein Mädchen saß breitbeinig, mit hochgerutschtem Rock am Boden vor ihrem Zimmer. Und die Blicke, die mir die anderen Mädchen zuwarfen, waren keine Blicke der Neugierde, sondern die für potenzielle Kundschaft.
Ich ging wieder. Ich antizipierte Nächte mit lauter Musik, lautem Kreischen und lautem Hämmern an meine Tür. Ich brauchte Frieden. Ich wollte den auf der Fahrt in der vergangenen Nacht versäumten Schlaf nachholen. Und den, dachte ich, würde ich von allen Orten im Hotel des Friedens am letzten finden.
Die in meinem Reiseführer aufgeführten, günstigen Hotels schien es jedoch nicht mehr zu geben. Und ein junger Mann führte mich zu solchen, die mir nur für Selbstmörder passend schienen, so dunkel, stickig oder dreckig waren sie. Für ein anderes altes, wenn auch sauberes Hotel hätte ich über 100 Dollar die Nacht ausgeben müssen. Also ging ich wieder zurück ins Hotel de la Paix und bezog das Zimmer Nr. 10.
Das Hotel war in der ersten Etage eines schmutzig weißen Hauses aus den Dreißigern in einer Seitenstraße der Rue D’Ethiopie, ein paar Minuten vom zentralen Menelik-Platz entfernt. Es hatte eine staubige, offenbar schon seit Jahren nicht mehr benutzte Bar und zehn Zimmer, die um eine große Halle gruppiert waren. Im inneren Teil der Halle war mit blumengemusterten Vorhängen ein Separee abgetrennt. Dort standen mehrere Sofas. Nachts nahmen die Mädchen die Polster herunter, legten sie auf den Boden und schliefen darauf.
Nachdem ich verstanden hatte, wie das Hotel funktioniert, konnte ich an der Belegung des Separees ablesen, ob die Mädchen eine gute oder eine nicht so gute Nacht hatten. Mehrere von ihnen teilten sich ein Zimmer. Lagen am Morgen viele Mädchen im Separee, war sie gut. Dann übernachteten viele Männer bei den Mädchen in den Zimmern. War das Separee leer, war die Kundschaft ausgeblieben.
Am Abend luden mich die drei Äthiopierinnen aus Zimmer Nr. 7 zum Tedj ein. In Dschibuti rekrutiert sich das Heer der billigen Arbeitskräfte aus Äthiopien. Deshalb kann man dort alle Dinge kaufen, ohne die kein Äthiopier auskommen würde.
Die Mädchen aßen Ingera, das traditionelle dünne, gummiartige Fladenbrot ihres Heimatlandes. Sich gegenseitig und auch mir steckten sie kleine Häppchen davon in den Mund. Sie tranken Tedj, den traditionellen Honigwein, dessen Geschmack mich immer ein bisschen an Federweißen erinnert. Sie hörten immer wieder dieselbe Kassette ihrer traurigen Amhara-Musik. Und obwohl Addis Abeba nur eine bezahlbare Zugfahrt entfernt ist, hatten sie fürchterliches Heimweh.
Sie fragten mich, ob ich schon einmal dort war, und ich sagte: „Ja. Ich finde es sehr schön, aber auch sehr arm.“
Eines der Mädchen kämpfte mit ihrer Entrüstung, so als sei ihr völlig schleierhaft, wie es sie überhaupt nach Dschibuti verschlagen konnte. „Arm!? Das ist meine Stadt. Ich liebe sie. Wie kann Addis Abeba arm sein!?“
Zu Besuch bei ihnen war Francois, Ende dreißig, Hubschrauberpilot der französischen Armee. Am Anfang war er noch mit seiner Freundin im Nebenzimmer. Aber das am ältesten aussehende Mädchen hatte gesagt „Zu viel Fick, zu wenig bezahlen“ und hatte ein paar Mal an die Wand gehämmert. Dann kamen die beiden herüber.
Francois erzählte, dass die meisten äthiopischen Mädchen ohne Aufenthaltsgenehmigung in Dschibuti leben. Sehr sauer sei die Polizei darüber allerdings nicht. Dadurch kann sie sich ein bisschen was dazuverdienen.
Auf die Straße gehen die Mädchen deshalb nur mit Kopftuch, und am Abend zur Arbeit in ihrer Diskothek müssen sie mit einem Taxi bis direkt vor die Tür fahren. „Wenn sie doch festgenommen werden“, sagte Francois, „dann regeln sie das auf die Afrikanische.“
In Nairobi leben die Verkehrspolizisten fast ausschließlich von den Matatus, jenen Minibussen, die private Unternehmer parallel zu den öffentlichen Buslinien
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