Afrika Quer (German Edition)

Chefarztes warteten ein paar Frauen auf einer Bank, offenbar Patientinnen. Die meisten hatten den schwarzen Hijab auf dem Kopf und schauten finster und unnahbar drein. In diesem Augenblick hatte ich nur eine Frage im Kopf: Ob die Frauen wussten, dass sie von einem Khat-Freak behandelt werden?
    Mein Tag war gelaufen. Ich ging durch die Straßen und fühlte mich, als ob mein Kopf in Styropor gepackt war. Jetzt erst merkte ich, wie hitzig die Khat-Runde und wie angenehm still es dagegen hier draußen war.
    Erst am nächsten Morgen kämpfte ich mit den Nachwirkungen. Meine gesamte Zuversicht war von mir gewichen, jegliche Lebenskraft wie abgesaugt. Ich saß wie in einem tiefen Loch und rang mit mir, meinen Kopf über den Rand zu heben. Was würde mich dort erwarten?
    Der Vormittag verging, bis ich meinen Mut zusammennehmen konnte, das Hotel zu verlassen. Aber schon am Abend fand ich, dass der Khat-Versuch ein Erfolg war. Ich hatte etwas für die Zukunft gelernt. Mir ging es viel besser, wenn ich die Finger vom Khat ließ.

Kleines Khat-Lexikon (Hargeisa)
    Khat (Catha Edulis) war in der Region des Roten Meeres schon in der Antike bekannt. Wahrscheinlich wurden seine Blätter dort schon vor dem Kaffee genossen, und die Pflanze wächst auch dort heute noch wild.
    Am besten gedeiht Khat im Hochland. Seine Blätter sind glänzend hellgrün, manchmal haben sie auch einen Stich ins rötliche. Wenn die Pflanze nicht beschnitten wird, wächst sie zu einem kleinen Baum heran. In den Plantagen lassen sie die Bauern jedoch nur zu etwas mehr als mannshohen Sträuchern gedeihen, damit sie ihre Energie auf die Triebe und nicht auf das Wachstum des Stammes verwenden. Denn je langsamer die Triebe herauswachsen, umso mehr Wirkstoff enthalten sie und umso teurer kann der Khat verkauft werden.
    Die Triebe und die frischen Blätter des Strauches enthalten Rdie psychoaktiven Wirkstoffe Cathinone und das schwächere Chatine. Die pharmakologische Wirkung von Chatinone ist der von Amphetaminen sehr ähnlich. Ungekühlt baut sich der Wirkstoff in den gepflückten Pflanzenteilen innerhalb von achtundvierzig Stunden ab. Deshalb müssen die Zweige frisch genossen werden.
    Traditionell wird Khat vor allem im Jemen, in Somalia und Dschibuti gekaut. Weil er den Muslimen als von ihrer Religion erlaubte Alternative zum Alkohol gilt, hat er sich jedoch inzwischen in der gesamten ostafrikanischen Region durchgesetzt.
    Die größten Anbaugebiete sind im Jemen, um Harar im Osten Äthiopiens und um das kenianische Meru, am Osthang des Mount Kenya.
    Aus den Anbaugebieten gehen täglich Flugzeuge mit Khat-Ladungen nach Europa, den USA, den Golfstaaten und überall dorthin eigentlich, wo es genügend somalische und jemenitische Emigranten gibt.
    In Deutschland untersteht Khat seit dem 1. Februar 1998 dem Betäubungsmittelgesetz. Das heißt, Handel und Genuss der Droge sind verboten. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden aber 1999 5.674 kg der Pflanze und ein Jahr später noch 3.557 kg sichergestellt.
    In Somalia ist der Khat-Einzelhandel fest in Frauenhand, denn die kauen selbst nicht und können sich so etwas dazuverdienen.
    Alle Kisten, aus denen die Frauen in Hargeisa den mit einem feuchten Sack frisch gehaltenen Khat verkaufen, kommen aus Awaday, fünfzehn Kilometer nördlich von Harar. Aus dem kleinen Städtchen im Herzen des Anbaugebietes in Ost-Äthiopien wird der Handel in den Norden Somalias, nach Dschibuti und in die äthiopischen Somali-Gebiete organisiert.
    Für den Norden Somalias wird auf dem Khat-Markt in Awaday die billigste Qualität ausgesucht. Als ich dort war, warf der Großhändler die Sträuße mit einer Drehung in die Luft, um festzustellen, wie eng sie die Bauern gepackt hatten, roch daran und sagte: „Der ist nicht mehr ganz frisch, der geht nach Somalia.“ Die teuren gingen meistens nach Dschibuti. Dort ist die Kaufkraft in der Region am höchsten.
    Für einen sehr guten Strauß, aus dem ein halbes Dutzend Bündel werden können, zahlte der Großhändler bis zu €60.
    Nach Hargeisa wird der Khat über Nacht mit Lkws gebracht, nach Dschibuti am nächsten Morgen per Flugzeug.

Der Somalische Film IV (Hargeisa – Grenze)
    Nur ein paar Kilometer außerhalb von Hargeisa hatten wir einen Platten. Wir Passagiere warteten, und der Fahrer kehrte mit dem Geländewagen wieder in die Stadt zurück, um den Reifen flicken zu lassen.
    Dann passierte etwas seltsames. Die zwei Frauen waren schon vorgelaufen. Ich wartete mit den fünf Männern