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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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der Diener Allahs“.
    Und der italienische Händler Ottorino Rosa, der Rimbaud gut kannte, wunderte sich über seine „bizarren“ Kleider: „Er war sehr sorglos gekleidet und lebte wie ein Einheimischer. Ich erinnere mich, dass der britische Vertreter in Zeila Leutnant Harrington ihn für einen einfachen Maurer hielt. Er schneiderte seine eigenen Kleider aus weißer amerikanischer Baumwolle, und um es sich einfacher zu machen hatte er eine geniale Art, die mühselige Notwendigkeit von Knöpfen zu vermeiden.“
    Man muss die Selbstporträts gesehen haben, die Rimbaud mit der Kamera machte, die ihm seine Mutter aus Frankreich geschickt hat. Wie der französische Schriftsteller Paul Claudel feststellt, gaben sie Rimbaud etwas von einem Strafgefangenen. Der weiße Kittel und die weite Hose in derselben Farbe hingen um ihn wie ein Sack. Jemandem, der solche Kleider trug, war es egal, was andere von ihm dachten.
    Deshalb, erinnert sich Jules Borelli, ein weiterer italienischer Entdeckungsreisender, der Rimbaud aus Aden und dem ostafrikanischen Hafen Tadjourah kannte, wirkte Rimbaud so schrullig auf die anderen Expatriates: „Sein Lebensstil, den einige für grotesk und eine obskure Art von Verschrobenheit hielten, war im Grunde das Produkt seiner unabhängigen und reichlich misanthropischen Persönlichkeit.“
    Sie belächelten ihn. Für sie galt Rimbaud als Original. Und Rimbaud war sicher ein kauziger Mensch, aber nicht so kauzig, dass bei all seiner Schrulligkeit der Seltsame Expatriate nicht noch deutlich durchgeschienen hätte.
    Denn solche Originale, die so geworden sind „wie die Einheimischen“, kann man noch heute in fast jeder afrikanischen Stadt bestaunen. Meistens haben sie eine Frau aus der Gegend geheiratet und können und wollen gar nicht mehr zurück in ihre alte Heimat. Wie der Franzose in einem Vorort der mauretanischen Hauptstadt Nouakschott zum Beispiel, von dem mir ein deutscher Historiker erzählte. Bei ihm liefen die Ziegen im Wohnzimmer herum. Oder dem Belgier in Timbuktu, den ich traf und den man während seines stadtbekannten Mittagsschlafes nicht stören durfte und der mir verschwörerisch-wilde Geschichten über den Goldhandel im Norden Malis erzählte.
    Wohl sind sie seltsam, aber nicht selten. Und zwischen ihnen und dem anderen Extrem, jenen Expatriates, die sich in abgezäunten Wohnvierteln, in teuren Restaurants und auf Golfplätzen versteckten und deren einziger Kontakt zu den Einheimischen sich auf ihre Dienerschaft beschränkte, gab es nicht viele andere.
    Am Ende glaubte auch Rimbaud, dass er nicht mehr nach Frankreich zurückkehren konnte. Er hatte Angst, er würde sich dort nicht mehr zurechtfinden. Das Klima war ihm sicher zu kalt, schrieb er seiner Mutter und seiner Schwester. Und sein Erspartes – ein beträchtliches Vermögen – reichte bestimmt nicht aus, um sich zur Ruhe zu setzen.
    Außerdem wollte er endlich eine Frau finden und eine Familie gründen. Dem „Spott eines bürgerlichen Mädchens“ in Frankreich traute er sich jedoch nicht auszusetzen, notierte seine Schwester Isabelle in ihr Tagebuch.
    Schließlich konnte Rimbaud jedoch nicht mehr anders als zurückkehren. Er war schwer krank, sein Knie war geschwollen „groß wie ein Kürbis“, wahrscheinlich von der Überanstrengung der langen Märsche oder als Spätfolge einer Syphilis.
    Er mietete ein paar Träger, ließ sich fast zwei Wochen lang zur Küste schleppen und nahm von Aden aus ein Schiff nach Marseille. Die französischen Ärzte konnten ihm jedoch nicht mehr helfen. Sein Bein musste amputiert werden und seine Schwester Isabelle – „Die Frauen pflegen ja diese aus heißen Länder zurückgekehrten verwilderten Krüppel“ – musste sich die ganze Zeit um den völlig erschöpften, hilflos gewordenen Mann kümmern.
    Für ein paar Wochen kehrte Rimbaud nun noch einmal in sein Heimatstädtchen Charleville zurück, aber richtig in Europa angekommen ist Rimbaud nie mehr. Er halluzinierte. Manchmal hielt er seine Schwester für seinen langjährigen Diener Djami.
    „ Meistens sind wir in Harar“, notiert Isabelle in ihrem Tagebuch. „Wir fahren immer nach Aden. Wir müssen Kamele finden, eine Karawane organisieren. Er kann sehr gut laufen mit seinem neuen Holzbein... Schnell, schnell, sie warten auf uns. Wir müssen unsere Sachen packen und gehen.“
    Noch im Hospital in Marseille hatte Rimbaud an den Statthalter Meneliks in Harar geschrieben, dass er bald wieder in Harar sein werde, um seine Geschäfte

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