Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
Vom Netzwerk:
Süden Äthiopiens gut lebte. Erst fünf Jahre vor Rimbauds Ankunft hat Harar seine Unabhängigkeit verloren. Zuerst wurde es von türkisch-ägyptischen Truppen besetzt, 1887 dann vom späteren abessinischen Kaiser Menelik II.
    Weil Rimbaud so bekannt, eine solche Ikone ist, gibt es heute einen wahren Rimbaud-Tourismus nach Harar. Um den Touristen etwas zu bieten, wurde in der Altstadt ein Rimbaud-Haus hergerichtet. Nur gibt es ein kleines Problem damit: dass Rimbaud mit ziemlicher Sicherheit darin nie gelebt, ja, dass es zu seiner Zeit wahrscheinlich noch gar nicht stand. Die drei Häuser, in denen er wirklich gelebt hat, sind inzwischen abgerissen, überbaut oder sonst irgendwie nicht mehr da. Deshalb nahm man eben das geräumige Haus eines griechischen Händlers und erklärte es kurzerhand zum Rimbaud-Haus.
    Erst seit der britische Schriftsteller Charles Nicholl in sorgfältiger Detektivarbeit nachgezeichnet hat, dass das angebliche Rimbaud-Haus nicht Rimbauds Haus sein kann, räumt das der reichlich pomadige Führer auch ein. Also schaute ich mich kurz dort um und ging wieder. Nun ja, wenn ich wirklich etwas von der Atmosphäre des damaligen Harar aufspüren wollte, musste ich auf eigene Faust losziehen.
    Nach einer Weile dachte ich auch, dass ich fündig wurde. Am Abend senkte sich eine wohlige Stille über die Altstadt. Nachdem die letzten Zuschauer aus dem Provinzkino geströmt waren, und man die steile Machina Girr Girr hinunterlief, konnte man wohl noch am besten die Stimmung des versunkenen Harar erahnen.
    Ich ließ die letzten elektrischen Straßenlaternen hinter mir. Die mechanischen Nähmaschinen, deren Surren der Straße den Namen gegeben hat, waren weggeräumt, und auf dem Maghala gudi, dem großen Markt, war feierliche Stille eingekehrt. Am Tag hatten hier noch Oromo-Frauen Brennholz verkauft, das sie auf Eseln aus ihren Dörfern in der Umgebung herbrachten. Die Oromo-Bauern leben außerhalb und kommen nur am Tag in die Stadt.
    So war es auch zu Rimbauds Zeiten. Die Frauen hatten schmutzige Kleider an, die sicher gebraucht aus Europa importiert waren, und einfache, gegossene Plastikschuhe. Ihr Haar trugen sie in der traditionellen Frisur, zu dünnen Zöpfchen, geflochten. Die Oromo-Männer sah ich hier Rasierklingen und Streichhölzer kaufen. Sie wirkten martialisch mit ihrem Wickelrock um die Beine und der kleinen Sichel an einem Stock über der Schulter. Sie ist gleichzeitig Gartengerät und Waffe. Auch sie trugen noch traditionelle Frisuren. Nur den Holzkamm in ihrem Afro haben sie inzwischen durch einen aus Plastik ersetzt.
    Nun war der Markt leer. Nur hier und da glühten noch Holzkohlen in Tontöpfen, über denen die Umsitzenden ein mageres Essen zubereiteten. Lange Schatten huschten über den Platz und verschwanden in den notdürftig aus Plastikplanen, Kartons und Ästen gebauten Zelten am Rand des Marktes. Die Läden in den engen Nischen, in denen man vom Haarshampoo bis zum Kaugummi alles kaufen kann, waren geschlossen, und die khat-kauenden Bettler, die sich tagsüber in zerlumpten Kleidern auf dem Boden liegend dem Rausch der grünen Zweige hingegeben hatten, waren vor der kühlen Abendluft in ihren Löcher in den Lehmmauern der Stadt verschwunden. Nun wirkten die Straßen still und heimelig, und die engen Gassen luden zum Verweilen ein.
    So hätte es sein können, als Rimbaud abends nach getaner Arbeit einen Spaziergang machte - aber so war es nicht. Denn im Harar des 19. Jahrhunderts ging am Abend niemand spazieren. Zu dieser Tageszeit gehörten die engen Gassen der Stadt wilden Hunden oder den Hyänen. Die Stadttore wurden schon am späten Nachmittag verschlossen, dann wurden die Hunde freigelassen, die wiederum die aas- und abfallfressenden Hyänen im Zaum halten sollten.
    Na gut. So war es also nicht. Aber so schnell gab ich natürlich nicht auf. Ich nahm mir einen Touristenführer, Herrn Endalle. Er war Amhara, kein Harari, aber er war in der Stadt geboren und kannte alle und jeden. Herr Endalle geleitete mich durch die Stadt, über Märkte, durch verwinkelte Höfe und enge Gassen, wusste auf alle Journalistenfragen eine Antwort und führte mich schließlich auch zum Hotel Mekonnen auf dem Faras Maghala, dem ehemaligen Pferdemarkt.
    Hier blieb er auf einmal stehen. Vorsichtig wies er auf ein schmales, zweistöckiges Haus mit einem Hotelschild an der Fassade und einer kleinen Terrasse zur Straße. Ich sollte nicht so auffällig hinschauen zu dem Hotel, riet er mir, und fotografieren

Weitere Kostenlose Bücher