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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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man die Institutionen nicht füllen kann, dann spielt man sie eben nach, so gut es geht.
    Toussaint hat das Trimester nicht bestanden. Als er sein Zeugnis sah, sagte er kurz „Mist!“, so als wäre er erstaunt, dann machten wir uns auf den Weg nach Hause. Schon bald war er mit seinen Gedanken jedoch wieder bei interessanteren Dingen.
    „ Du wirst also Ferdinand mit nach Deutschland nehmen“, sagte er mit einem Gesicht, auf dem sich schon wieder ein Grinsen eingerichtet hatte. Damit erwischte er mich sofort wieder auf dem falschen Fuß.
    Ich wusste langsam nicht mehr, was ich mit ihm machen sollte. Ein zwölfjähriges Kind tanzte mir auf der Nase herum, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich dagegen zu behaupten, so gut es ging.
    Nein, also, wie kommst du denn darauf!, sagte ich, als ob ich keine Ahnung hätte, wovon er sprach.
    Aber ich wusste genau, worauf er anspielte. Denn nach der ersten Unterrichtsstunde war ich einmal kurz frische Luft schnappen gegangen. Der Wind hatte schon soviel Sand vom Pausenhof in das Klassenzimmer geblasen, und die Luft dort war schon so stickig, dass ich es nicht mehr ausgehalten habe.
    Toussaints Freund Ferdinand kam mir nach. Er nutzte seine Chance, als ich allein war, und ich ihn nicht vor den anderen Schülern bloßstellen konnte. Er war fünfzehn. Sein linkes Auge war getrübt und mit dem rechten schielte er. Deshalb tat er mir leid. Aber jetzt fragte er mich erst, wie es mir ging, und dann schüchtern, so als wolle er sich bedanken: „Aha, du nimmst mich also mit nach Deutschland.“
    Das war ein bisschen zu viel für mich. Ich gab die üblichen Beteuerungen, dass ich niemanden mitnehmen werde. Doch er blieb hartnäckig: „Aber mich schon!“ Dann floh ich schnell wieder zurück ins Klassenzimmer.
    Toussaint tat nun, als ob er mich falsch verstanden hätte. „Du nimmst mich also doch mit“, sagte er so, als wenn ich mich verplappern würde, ich ihn auch mitnehmen müsse. Ich hatte es ja versprochen!
    Neihein, junger Mann, du wirst nirgends hingehen!
    „Aber Ferdinand sagt, du nimmst ihn mit.“
    Also nun wollte ich wirklich wissen, warum diese Kinder so hartnäckig glaubten, ich würde sie mit nach Deutschland nehmen. Hier musste etwas dahinterstecken.
    Nach der Schule gingen wir zu Toussaint nach Hause. Er wohnte bei seiner Mutter. Warum sie nicht in Kamerun lebte, wie er behauptet hatte, wurde erst später klar.
    Seine Mutter wohnte zusammen mit Toussaint und seiner jüngeren Schwester in einer Hütte. In den anderen lebten Toussaints ältere Brüder, sein Cousin Valentin, sowie eine Familie, mit der er nicht verwandt war. Von allen bezog die Mutter Miete. Toussaints Vater schlief auf dem Gelände der Kirche, wo er arbeitete.
    Nach einer Weile kam die Mutter mit einem riesigen Bündel Feuerholz auf dem Kopf vom Markt nach Hause. Dort verkaufte sie Gemüse und Fische. Von ihr hatte Toussaint seine Körpergröße. Sie war über 1,90 m groß und sehr schlank. Sie hatte ein hartes, faltiges Gesicht, ein buntes Tuch um ihren Körper geschlungen und war schon über fünfzig.
    Toussaints 19-jähriger Cousin Valentin, der sich gerade auf sein Abitur vorbereitete, erklärte sich bereit zu übersetzen. Zuerst fragte ich Toussaint nach der Schule und dann nach seiner Arbeit. Er fuhr am Wochenende nach Kousseri, der Grenzstadt in Kamerun, kaufte dort zwei, drei große Pakete Papiertaschentücher, machte sie auf, schmiss die Verpackung weg, schmuggelte die einzelnen Päckchen auf seinem Tablett über die Grenze und verkaufte sie dann in Moursal.
    Als letzte Frage stand auf meiner Liste, wie er darauf kam, dass ich ihn nach Deutschland mitnahm. Inzwischen saß seine Mutter neben uns. Ich hatte nicht bedacht, dass sie durch die Übersetzung Valentins mithören konnte. Der Gedanke durchzuckte mich erst, als Valentin schon mit einem Schmunzeln um den Mund anfing, meine Frage zu übersetzen.
    Dann tat mir Toussaints Mutter sofort leid.
    „Was? Toussaint hat gefragt, ob er mit nach Deutschland kann?“, sagte sie entrüstet. Scham und Enttäuschung über die Undankbarkeit ihres Sohnes stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich liebe dieses Kind. Habe ich nicht alles für es getan? Ich habe mich abgerackert, um seine Schulgebühren zu bezahlen und dann das!“, übersetzte Valentin.
    Auch Toussaint zeigte diesmal Wirkung. Er saß betreten da und rollte wieder mit den Augen, so dass man das Weiße an den Rändern sah. Auch ihm war es diesmal peinlich. Aber nur sehr kurz. Schon bald

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