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Afrika Saga 02 - Feuerwind

Afrika Saga 02 - Feuerwind

Titel: Afrika Saga 02 - Feuerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sein«, sagte er leichthin.
    »Das nehme ich dir nicht ab.«
    Leon Mellinghoff schaute hinaus auf die Stadt, beobachtete die blinkenden Lichter hinter den Fenstern und dachte an seine jüngste Schwester, ein blond gelocktes Kind mit leuchtend blauen Augen, bildhübsch wie ihre älteren Schwestern, die mit fünf Jahren an Lungenentzündung gestorben war, dachte an die kleinen Särge, die bei der letzten Masernepidemie aus dem Hospital getragen worden waren, an die ausgemergelten Gesichtchen der Kleinsten, die langsam eintrockneten, während die Cholera ihre Körper vergiftete. »Ach, es ist wohl so, dass ich Kinder sehr mag«, sagte er und sah sie dabei nicht an. »Sie sind so klein, so hilflos, weißt du«, setzte er leise hinzu, und jetzt schaute er ihr in die Augen. Er konnte nicht wissen, dass es dieser Augenblick war, in dem sich Maria in ihn verliebte.
    Sie erkannte dieses köstliche Gefühl sofort. Ihr wurde erst heiß, dann kalt, ihr Herz jagte, und sie hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, ihn zu berühren. Eben noch befand sie sich in den Tiefen einer Depression, jetzt erschien ihr das kalte Zimmer, das im trüben Schein einer einzelnen Kerze lag, warm und so gleißend hell, dass sie die Augen schließen musste, so geblendet war sie. Bartholomew schien in den Schatten zurückzutreten, und erstaunt stellte sie fest, dass der Gedanke an ihn aufgehört hatte, wehzutun. Was blieb, war ein Ziehen wie von einer Narbe, die immer da sein würde, aber zu ihr gehörte wie ihre Nase und der Leberfleck zwischen ihren Schulterblättern. Sie machte einen Schritt auf Leon zu, spürte schon die Wärme seiner Haut auf ihrer.
    »Lass deine Finger von meinem Sohn.« Ludovig Mellinghoffs Stimme dröhnte in ihrem Kopf. Es war eine Drohung gewesen.
    Erschrocken fuhr sie von ihm zurück und biss die Zähne aufeinander.
    »Du solltest dich von mir fern halten«, flüsterte sie endlich. »Ich glaube, dein Vater wird sehr ungehalten sein, wenn er herausfindet, dass wir allein in diesem Zimmer sind.«
    »Das ist mir gleich«, sagte er zu seinem eigenen Erstaunen. Seinem Vater hatte er so gut wie noch nie widersprochen, gewiss noch nie seinen Anweisungen zuwider gehandelt. Schon als kleiner Junge hatte er gelernt, dass sein Vater seinen Willen grundsätzlich durchzusetzen pflegte, notfalls mithilfe seines Spazierstocks oder der neunschwänzigen Katze. »Völlig gleich«, bekräftigte er und grinste mutig, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und tat das, wovon er schon so lange träumte. Er küsste sie.
    Wortlos starrten sie sich an.
    »Ach, du lieber Himmel…«, flüsterte Maria dann.
    »Ach, du lieber Himmel«, schrie Elise Mellinghoff. »Bleibt mir denn nichts erspart?« Sie starrte auf Maria und Leon, die, geblendet vom Schein des fünfarmigen Kerzenleuchters, mit dem Ludovig Mellinghoff in die dunkle Bibliothek leuchtete, eng umschlungen verharrten. Marias glänzendes Haar schwang offen über ihre Schultern, Leons Jacke und seine Krawatte lagen am Boden. Elise Mellinghoff rang die Hände. »Leon, wie kannst du mir das nur antun …«
    »Elise, mäßige dich, so erreichst du auch nichts. Lass mich das machen.« Ludovig Mellinghoff schob seine Frau beiseite und baute sich vor den beiden jungen Leuten auf.
    »Übermorgen fahren wir zurück nach Hamburg. In drei Tagen geht ein Schiff nach Kapstadt. Ich werde unserem Agenten in Hamburg telegrafieren, und du, Maria, wirst an Bord dieses Schiffs sein, und wenn ich dich eigenhändig an Bord schleppen muss. Ich will mich vergewissern, dass du dieses Land verlässt. Für immer. Und du, Leon, wirst dich ja wohl erinnern, dass deine Verlobung mit Jenny von Schmalenbeck unmittelbar bevorsteht. Wenn du glaubst, ich lasse mir diese Verbindung durch eine solche läppische Tändelei zerstören, solltest du mich besser kennen. Du wirst nach Dresden abreisen und dich auf dein Doktorat vorbereiten. Solltest du dich weigern, wirst du keine müde Mark mehr von mir erhalten, auch deinen Teil des Erbes kannst du dann abschreiben. Ich werde sofort mein Testament ändern. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Leon starrte seinen Vater an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Ganz dicht standen sie voreinander, ihre Gesichter berührten sich fast, ihre Schultermuskeln waren angespannt, die Fäuste geballt, die Blicke verhakten sich, und keiner gab auch nur einen Zoll nach. Die Knöchel von Ludovig Mellinghoffs Hand, die den Spazierstock umklammerte, schimmerten weiß, denn es war ihm noch nie widerfahren,

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