Afrika Saga 02 - Feuerwind
dass sein Sohn sich gegen ihn gestellt hatte.
»Wage es nicht, mich anzurühren«, flüsterte Leon. »Nie wieder.« Er sagte es so leise, dass es nur sein Vater verstehen konnte.
Marias Blick flog zwischen ihnen hin und her. Sie wurde an zwei Büffel erinnert, die um die Rangfolge kämpften. Sie trat einen Schritt zurück und beobachtete den stummen Kampf mit angehaltenem Atem und hämmerndem Herzen.
Ohne die Augen von seinem Vater zu lassen, trat Leon zu ihr, hob ihre Hand und küsste sie. »Nichts wird sich ändern, alles wird so sein, wie es ist«, flüsterte er, drückte ihre Hand noch einmal und ließ sie sanft aus seiner gleiten. »Natürlich, Vater, wie du wünschst«, sagte er, doch schaute er nicht seinen Vater an, sondern sie, lange und mit einem seltsam durchdringenden Blick.
Verzweifelt versuchte Maria, den Sinn seiner Worte zu begreifen oder etwas in seinen Augen, in seiner Mimik zu lesen, das ihr erklären würde, was vorging. Doch es gelang ihr nicht. Ihr erster Impuls war, Leon sofort zur Rede zu stellen, und sie machte einen Schritt auf ihn zu, aber er drehte nach kurzem Augenkontakt sein Gesicht zur Seite und presste die Lippen aufeinander.
Hätte er sie geschlagen, hätte er sie nicht schlimmer treffen können. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie gehört hatte. Es konnte nicht wahr sein, dass er sie so verriet. Noch nie, selbst Bartholomew gegenüber, hatte sie sich einem Menschen so geöffnet, war ihm so vollkommen wehrlos entgegengetreten. Leons offensichtliche Zurückweisung schnitt mitten durch ihr Innerstes. So verletzt war sie, dass sie das Gefühl hatte zu verbluten, aber es war nur ihr Herz, das in tausend Splitter zerbarst.
Mit steifem Rücken, das Kinn stolz gehoben, auch wenn es zitterte, wandte sie sich von Leon ab. »Ich werde an Bord dieses Schiffs gehen«, sagte sie mit rauer Stimme, hob ihren Rock und verließ hoch aufgerichtet den Raum. Sie musste nur vier oder fünf Schritte tun, aber auch diese kurze Strecke ging fast über ihre Kräfte. In der Tür hielt sie noch einmal inne, musterte die drei Mellinghoffs schweigend, jeden einzeln, ohne Hast. Elise Mellinghoff schlug als Erste die Augen nieder, ihr Onkel zwirbelte seine Bartspitzen und antwortete mit einem triumphierenden Lächeln. Leon aber hielt ihren Blick, schien ihr etwas sagen zu wollen, sodass sie zögerte. Aber als er schwieg und wegschaute, ging sie hinaus und schloss die schwere Eichentür hinter sich. Als sie sicher war, dass sie keiner beobachten konnte, rannte sie weinend hinauf und verkroch sich in ihrem Bett, fest entschlossen, es nicht zu verlassen, bis sie nach Hamburg abreisten.
Am nächsten Morgen schlüpften Leonore und Luise mit einem liebevoll gedeckten Tablett mit Kaffee, Rundstücken, kleinen Kuchen, Butter und Marmelade in ihr Zimmer. Doch auch die beiden Mädchen konnten sie nicht dazu bewegen, ins Wohnzimmer zu kommen.
Später erschien Ludovig Mellinghoff und teilte ihr mit, dass sie auf dem großen Empfang für das Kronprinzenpaar am Abend unerwünscht sei. Sie nickte nur. Von ihrem Fenster aus beobachtete sie die Familie, wie sie in großer Balltoilette, Elise Mellinghoff sicher durch einen steifen Cognac gestärkt und mit genügend Riechsalz ausgerüstet, um ganze Scharen von Ohnmächtigen wieder aufzuwecken, in die bereitstehende Kutsche stiegen. Leon kletterte als Letzter hinein, drehte sich noch einmal um, schaute hinauf zu ihr. Sein Gesicht leuchtete, und mit einem strahlenden Lächeln, das sie überhaupt nicht zu deuten wusste, hob er seine Hand zum Gruß und schickte ihr einen schnellen Luftkuss.
Verwirrt und aufs Eigenartigste berührt, trat sie einen Schritt zurück und ließ die Gardine vor die Scheiben fallen. Erst als sie das Geratter der Kutschenräder vernahm, wagte sie wieder einen Blick. Lange stand sie am dunklen Fenster ihres Zimmers.
Es war sehr kalt geworden, der Wind zischte durch die Ritzen und ließ sie frösteln, Regen prasselte so hart gegen das Glas, dass sie glaubte, jemand würde Sand dagegen werfen, und zu ihrer Verblüffung leckte der Regen in Stücken an den Scheiben herunter.
Sie öffnete das Fenster und fing ein Regenstück ein. Es war beißend kalt und schmolz schnell auf ihrer Fingerkuppe. Sie hatte darüber gelesen, aber es war das erste Eis, das sie in ihrem Leben gesehen und gefühlt hatte. Natürlich hatte es in Natal schon gehagelt, aber nie war es ihr gelungen, ein Eisstück zu fangen. Es war geschmolzen, bevor es den Boden erreichte. Das Eis
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