After Moonrise (German Edition)
Stimme irgendwo in seiner Magengegend feststeckte.
„Ich muss mich setzen“, sagte Lauren und sah erst ihn an, dann die breite Ledercouch. „Macht es Ihnen etwas aus?“
„Ja. Ich meine, nein. Verdammt, ich meine, ja, setzen Sie sich ruhig“, stammelte Raef wie ein Idiot.
Aubrey kicherte. Offensichtlich flackerte ihr Funke wieder auf.
„Du machst ihn nervös“, sagte Lauren, während sie sich auf die Polster fallen ließ. „Und mich laugst du aus.“
Aubreys Funke wurde wieder schwächer. „Tut mir leid, Schwesterchen. “ Sie setzte sich nicht neben ihre Schwester, die wieder ihr Gesicht in den Händen verborgen hatte, aber Raef sah, wie sie eine durchsichtige Hand nach ihr ausstreckte, als wolle sie sie berühren. Dann spürte er, wie traurig sie war, und ihm wurde klar, dass er das Gefühl kaum ertragen konnte. Er verspürte den lächerlichen Drang, etwas dagegen zu unternehmen, irgendetwas, um die Traurigkeit zu vertreiben und ihre Freude zurückzubringen – die Freude, die auch er spüren konnte.
Und das war, verdammt noch mal, einfach nicht normal.
„Okay, das reicht“, sagte er grob. Beide Frauen, lebendig und tot, drehten ihm ihre hübschen Gesichter zu. „Ich muss wissen, was zum Teufel hier vor sich geht. “ Er zeigte auf den Geist. „Bist du ermordet worden oder nicht?“
Die Zwillinge wechselten einen Blick. Lauren sprach zuerst. „Sag es ihm. Dann sieht er es selbst, und die Sache wird viel einfacher zu erklären sein.“
„Es wird wehtun. “
„Ich weiß. Mach es kurz, dann ist es schnell vorbei. Wir sehen uns bald wieder“, sagte Lauren.
Aubrey nickte und drehte sich dann zu ihm um. Sie sah ihn lange an – lange genug, dass Raef bemerkte, wie schön sie eigentlich war. Ja, sie sah ihrer Zwillingsschwester sehr ähnlich, das war zu erwarten. Aber sie war weicher, kurviger, kleiner – und ihre Haare waren länger. In diesem Augenblick flatterten sie, wie durch einen nicht spürbaren Wind bewegt.
„Ich weiß, dass du uns helfen kannst. Ich glaube an dich, Kent. “
Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Er konnte ihre Überzeugung spüren. Sie war warm und stark und sehr, sehr beunruhigend – sodass er überhaupt nicht auf ihre nächsten Worte vorbereitet war oder auf die Qualen, die ihnen folgten.
„Mein Körper wurde von einem Mann ermordet, der meine Seele und die Seelen anderer Menschen gefangen hält. Er nährt sich von unserem Schmerz. Sein Name ist …“ Aubreys Worte wurden abgeschnitten. Ihr Geist schien in zwei Teile gerissen zu werden. Lauren schrie gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester vor Qualen auf – Qualen, die Raef nur zu deutlich selbst spürte. Der Schmerz war so groß, dass ihm schwarz vor Augen wurde und sein Herz raste. Die zerrissenen Überreste von Aubreys Geist schmolzen dahin wie Morgennebel im ersten Sonnenlicht, und sie war verschwunden. Schon wieder.
Erst jetzt wurde Raef bewusst, dass er zur Couch gestolpert war und sich an der Rückenlehne festhielt, um nicht zusammenzubrechen. Er hob eine zitternde Hand und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ein dumpfer Aufprall, wie ein Körper, der auf den Boden fiel, zwang ihn, sich wieder zu konzentrieren, und er sah, dass Lauren ohnmächtig von der Couch gerutscht war.
„Shit! “ Er eilte zu ihr, hob sie behutsam zurück auf die Couch und fühlte nach ihrem Puls. „Stark und gleichmäßig“, murmelte er. „Gut … gut. Kommen Sie. Wachen Sie auf. Es geht Ihnen gut. Alles ist gut“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
Laurens Augenlider flatterten und öffneten sich. Gerade wollte er erleichtert aufseufzen, da sah er, wie leer ihre graublauen Augen blickten. Das Licht darin war erloschen, und kein Funken Leben leuchtete.
Und das jagte ihm eine Heidenangst ein. Automatisch verfiel er in das Verhaltensmuster, das ihm am besten half, wenn er Angst bekam. Seine Stimme wurde tiefer, härter. Master Sergeant Raef fuhr sie an wie damals, als er noch als Unteroffizier der Spezialeinheit angehört hatte. „Lauren! Bewegen Sie Ihren Hintern sofort hierher zurück, und zwar im Laufschritt! Sie haben nicht die Befugnis, irgendwohin zu verschwinden! “
Lauren blinzelte und schüttelte den Kopf, als wäre sie gerade aus dem Regen ins Trockene gekommen. Dann kehrte Leben in ihre Augen zurück, und sie sah ihm ins Gesicht. „Raef.“
Auch wenn sein Name keine Frage war, nickte er. „Sie sind wieder da. Gut.“
„Fühl mich nicht so gut“, sagte sie schwach.
Er nickte knapp.
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