After Moonrise (German Edition)
Boshaftigkeit. „Wie geht es uns heute?“
Ja. Sie würde.
Aus dem Käfig drang lautes Schluchzen, während sie sagte: „Ich habe das Gefühl, dass es Spaß machen würde, die Rollen zu tauschen. Was meinst du? Du hier gefesselt, und ich stehe vor dir mit dem niedrigen IQ, dem winzigen Penis und – unterbrich mich, wenn ich falsch liege – dem riesigen Mutterkomplex.“
Sein Atem zischte über ihre Haut. „Du wirst meine Mutter nie wieder erwähnen, verstanden?“ Wut war an Stelle der Selbstgefälligkeit getreten, und sie hörte Messer und andere Spielzeuge scheppern, während er nach dem Instrument seiner Wahl suchte.
„Wenn du mit ‚nie wieder erwähnen‘ meinst ‚nie aufhören darüber zu reden‘, dann ja, verstanden. Also, warum tun wir nicht so, als wäre ich deine Therapeutin und du zu einer Gratissitzung bei mir?“
„Das reicht! “
Noch lange nicht. „Sag doch mal. Hat deine liebe Mommy dich nicht gestillt? Oder vielleicht viel zu lange?“
Eine bedrückende Stille legte sich über den kleinen Raum.
Stich das Messer noch tiefer in die Wunde – das wird er auch gleich tun. „Komm schon, du kannst mir vertrauen. Das bleibt alles unter uns, deine dunklen Geheimnisse veröffentliche ich höchstens in meinem Blog. Na gut, vielleicht auf Twitter. Oh, und Facebook. Eventuell ein Video-Tagebuch auf Youtube. Aber abgesehen davon, sind meine Lippen versiegelt.“
Das Scheppern wurde noch lauter und nachdrücklicher. Schließlich fand er, was er gesucht hatte – eine 20 Zentimeter lange gezackte Klinge. Er hielt sie in das viel zu helle Oberlicht, sodass sie glänzte, und drehte sich dann zu ihr um, das Gesicht halb grinsend, halb vor Wut verzerrt.
„Mein Schatz“, wandte er sich jetzt an die andere Gefangene und gab vor, sie selbst zu ignorieren. Nur dass er mit den Zähnen knirschte, konnte er nicht verbergen. „Du gibst am besten gut Acht, was als Nächstes geschieht, denn wenn du mein Missfallen erregst, wirst du es am eigenen Leib erfahren.“
Das Weinen wurde zu einem unterdrückten Schluchzen, und der Käfig schepperte. Vermutlich versuchte die andere Frau, durch die Stangen zu schlüpfen.
Nie wieder werde ich ihm diese Befriedigung verschaffen. „Oh, du liebe Zeit, oh, nein“, verspottete sie ihn, „der Psychokiller hat ein Messer. Jemand muss die schaurige Musik abspielen und mir Bescheid sagen, wann ich anfangen soll zu schreien.“
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an und schwenkte die Klinge hin und her, hin und her. „Hast du immer noch nicht gemerkt, welches Biest du da provozierst?“
„Uuuuh. Natürlich habe ich das. Es ist so winzig wie der Rest von dir, deswegen muss ich ja so grinsen.“
Er ließ seinen Kiefer knacken. Er war nicht einmal hässlich, im Grunde konnte man ihn sogar schön nennen mit seinen goldenen Locken, den Augen wie süßer Honig und Gesichtszügen so unschuldig und arglos wie die eines Kindes.
So eine grausame, grausame Maske.
Als sie zum ersten Mal in jenem Käfig aufgewacht war, hatte sie geglaubt, er wäre gekommen, um sie zu retten. Sie war schnell eines Besseren belehrt worden, als er sie herausgezerrt, ihr die Kleider vom Leib geschnitten und dabei mit einer Freude gelacht hatte, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Ich kann es schmerzlos tun … oder dir qualvolle Schmerzen bereiten. Reiß dich also zusammen“, fuhr er sie an.
„Hab ich etwa deine Gefühle verletzt?“, fragte sie. „Böse Gefangene. Böse, böse Gefangene.“
Mit langsamen, gemessenen Schritten näherte er sich ihr. „Du glaubst, du bist mutig? Na, mal sehen, ob ich dich vom Gegenteil überzeugen kann. Ich weiß, du kannst sie nicht sehen, aber das Mädchen im Käfig ist, Trommelwirbel bitte – deine einzige richtige Freundin. Du erinnerst dich doch an sie? Natürlich tust du das. Sie ist die hübschere von euch beiden.“
Ein heißer Schmerz flammte in ihrer Brust auf, als sie versuchte, den Hals zu recken, um in den Käfig zu sehen, aber immer noch war sie zu eng gefesselt, um sich derart zu verrenken. Sie konnte nur die Wand mit den Fotos sehen. Fotos von all den Frauen, denen er Gewalt angetan hatte.
Morgen würde ihr Bild daneben hängen.
„Du lügst, du versuchst mir wehzutun, weil du ein jämmerlicher kleiner Dreckskerl bist, dessen Herz verrottet ist, und du nicht weißt, womit du mich sonst treffen kannst.“
Hass flackerte in seinen Augen auf und verwandelte sie in tiefe dunkle Tore zur Hölle. „Glaubst du? Warum
Weitere Kostenlose Bücher