After Moonrise (German Edition)
fragst du das Mädchen nicht selbst und findest heraus, ob ich die Wahrheit sage oder nicht?“
Sie ballte die Hände zu Fäusten. Er log nicht. Oder? Ein Lügner würde nicht so zufrieden klingen. Oder doch? „Sag etwas“, befahl sie dem Mädchen.
Stille.
Sein selbstgefälliges Lachen hallte von den kahlen Wänden wider. „Es tut mir furchtbar leid, aber sie wird kein Wort sagen. Hat eine große Klappe, deine Freundin. Du kennst sie ja. Ich fürchte, ich sah mich gezwungen, ihr die Zunge herauszuschneiden.“
Noch ein heißer Schmerz, diesmal loderte auch Wut darin. Sie wuchs … und wuchs … Ihre Freundin hatte tatsächlich eine große Klappe, und dieser Mann war bösartig genug, sie zu entführen – und grausam genug, um zu verhindern, dass sie je wieder ein Wort sagte. Alles, um die Qualen zu steigern, die er bereits entfesselt hatte.
Wie konnte er es wagen, ihre Freundin zu entführen! Wie konnte er es wagen, ein so liebes Mädchen den Schrecken auszusetzen, die sie selbst ertragen musste! Die Wut wuchs … und wuchs …
„Du kranker ekelhafter …Ahhh! “, schrie sie und rüttelte an ihren Fesseln. Keine Beschreibung war widerwärtig genug. „Ich mach dich fertig. Du wirst ihr nie wieder wehtun können. Wart’s nur ab … ich … mach … dich … fertig. “ Nicht weinen. Wage es bloß nicht zu weinen. Sie rang dennoch nach Atem und hatte Schwierigkeiten, Worte zu formen.
Mit der freien Hand strich er ihr über die Stirn, sanft, fast schon zärtlich. „Du hast dich immer für viel stärker gehalten, als du wirklich bist. Das ist dein größter Fehler. Es wird mir Freude bereiten, ihn dir auszumerzen.“
Sie versuchte, ihn zu beißen.
Er lachte. „Ich kann es nicht abwarten, meinem neuen Spielzeug Bilder von unserer gemeinsamen Zeit zu zeigen. Meinst du, sie wird eifersüchtig?“
Die Wut breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, brannte, versengte, ließ jede Spur von Tränen versiegen. „Du kannst mich umbringen, aber ich bleibe hier, das verspreche ich dir. “ Da war ihre Stimme wieder, stärker als vorher und voller Entschlossenheit.
In gespielter Angst hob er eine Augenbraue. „Oh, wie unheimlich. Und wie willst du das anstellen, hm?“
„Ich finde einen Weg. Es gibt immer einen Weg, und das Gute besiegt immer das Böse.“
„So voller Überzeugung“, sagte er und schnalzte mit der Zunge. „Ich habe gehört, dass ein starker Geist alles besiegen kann, selbst den Tod. Aber, mein Schatz, wie ich dir immer und immer wieder zu erklären versuche, du bist nicht besonders stark.“
„Das werden wir sehen. “ Jeder auf der Welt wusste: Es gab ein Leben nach dem Tod. Manche Leute gingen an einen besseren Ort, manche an einen schlechteren. Aber sie selbst ging nirgendwohin, nicht, solange ihre Freundin in Gefahr war.
„Na gut, ich hoffe, du hast recht. Überleg nur, wenn du hier auf der Erde bleibst, können wir für immer zusammen sein. “ Er hob die Klinge, grinste – und stieß das glänzende Metall tief in sie hinein.
1. KAPITEL
OklahomaCity, Oklahoma
S IG Sauer: achthundert Dollar.
Eine Packung Patronen: dreißig Dollar.
Deinem Nachbarn das Gesicht wegschießen, weil er deinen Müll durchsucht hat, nachdem du ihn bereits gewarnt hast, dass es Konsequenzen nach sich zieht, falls er so etwas noch einmal versuchen sollte: unbezahlbar.
Und ich tue es wirklich, schwor sich Detective Levi Reid, während er die Waffe polierte. Mein Zeug gehört mir. Auch mein Müll!
Er war vor drei Wochen in das Apartmentgebäude „King’s Landing“ gezogen, aber er wusste immer noch nicht genau, warum. Oder wie.
Na gut, er wusste, wie. Es gefiel ihm nicht, und er würde die Wahrheit vor einem anderen als sich selbst niemals zugeben, aber jeden Tag hatte er so etwas wie einen Blackout. Wenn er wieder zu sich kam, fehlten ihm mal fünf Minuten, mal fünf Stunden. Oder, wie im Fall seines Apartments, sieben Tage.
Alles, was er über die Geschehnisse wusste, die zu diesem massiven Zeitverlust geführt hatten, war: Er war einem verdächtig aussehenden Typen zum Hintereingang des Gebäudes gefolgt. Das war’s. Als Nächstes war er in genau diesem Raum aufgewacht, fertig eingerichtet mit seinen Möbeln, seinem Zeug in den Schränken. Er wusste nicht, wann er gepackt oder ausgepackt hatte, wann er das Haus, in dem er sechs Jahre lang gewohnt hatte, einem Fremden überlassen hatte, oder wann er dieses geräumige, aber abgewohnte Zwei-Zimmer-Loch gemietet hatte, das ganz bestimmt nicht
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