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After Moonrise (German Edition)

After Moonrise (German Edition)

Titel: After Moonrise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.c. Cast
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für einen König geeignet wäre.
    Seine Kollegen hatten ihn nicht gesucht, weil er gerade auf Zwangsurlaub war. Eine Freundin hatte er nicht, und die „Pflichtbesuche“ beim Seelenklempner hatte er bereits alle abgesagt. Also hatte er beschlossen, an Ort und Stelle zu bleiben, falls ihn ein weiterer Blackout überkommen sollte und er irgendwo aufwachte, wo es noch schlimmer war.
    Zuerst hatte er sich über den vollkommenen Kontrollverlust aufgeregt – die Einschusslöcher in den Wänden zeugten noch davon. Dann war er in eine – männliche – Depression versunken. Männlich bedeutete: ohne Weinen und Rumgejammer; er hatte nur stoisch – wenn nicht sogar sexy – in die Dunkelheit gestarrt. Jetzt dachte er nach. Vielleicht hätte er sich zusammenreißen und in eine bessere Wohnung ziehen sollen, aber einem Teil von ihm gefiel es hier inzwischen, trotz allem.
    Seine neue Behausung lag am Rand von Oklahoma City und brachte ihn in direkten Kontakt mit den Obdachlosen, die auf der Straße pennten, den Prostituierten, die ständig auf Beutejagd waren, und den Dealern, die in den Nebenstraßen Tag und Nacht ihre Geschäfte machten. Sein Job hatte ihn unzählige Male in diese Gegend geführt, und es hatte ihm immer eine Gänsehaut bereitet (eine männliche natürlich). Und wenn er ehrlich war, das Gebäude sah nicht so schlimm aus, wie er es in Erinnerung hatte. Irgendwer hatte es renoviert und bewohnbar gemacht.
    Seine Nachbarn waren auch ganz in Ordnung, im Grunde. Sie hatten ihre Macken, aber wer hatte die nicht?
    Der Typ in 211 schlich sich um die Ecken, als hätte ihn ein Serienkiller im Visier – und den Finger schon am Abzug. Jedes Mal, wenn Levi ein verdächtiges Geräusch hörte und auf dem Flur nachsah, klebte der Typ ihm an den Fersen, heulte und flehte ihn um Hilfe an, aber er beantwortete keine Fragen und gab keine Erklärungen.
    Das Mädchen in 123 ging gern Tag und Nacht auf Zehenspitzen im Flur auf und ab. Manchmal blieb sie stehen und versuchte, mit ihrem Röntgenblick durch die Türen zu schauen. Jedes Mal, wenn er an ihr vorbeiging, fixierte sie ihn mit diesem Blick und sagte etwas Schauriges, wie „Ich vermisse mein Baby. Willst du mein Baby sein?“, oder seinen Lieblingssatz: „Was willst du tun, wenn du tot bist? Tot, tot, tot, du bist so was von tot.“
    Und in 409 wohnte Mister Mülltonnenwühler.
    Letzte Woche war eine umwerfende Rothaarige mit ihrer hübschen blonden Mitbewohnerin eingezogen. Vielleicht waren sie genauso merkwürdig wie der Rest, aber er überlegte, die Rothaarige mal zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Er machte sich nicht viel aus Dates, aber gegen Sex hatte er nichts einzuwenden.
    Im Augenblick saß er am Küchentisch, hatte die SIG in Stücke zerlegt und neben den Reinigungsmitteln ausgebreitet. Er fettete die Schienen der Waffe, schob den Schlitten ein, zog ihn wieder heraus und wischte die Schienen ab, jede Bewegung automatisch. Er hatte es schon Tausende Male gemacht und empfand es mittlerweile als beruhigend.
    Ruhe. Etwas, das er bewahren sollte. Wenn man bei der Arbeit einen angeblichen Serienmörder angriff, der Leichenteile in seiner Gefriertruhe verstaute, hatte man angeblich ein „Wutproblem“ und sollte sich eine Auszeit nehmen, um „nachzudenken und sich auszuruhen“.
    Was er wirklich brauchte, war Abwechslung. Also gut. Er würde nicht mehr nur darüber nachdenken, den Rotschopf um ein Date zu bitten. Er würde es einfach tun. Hoffentlich stand sie auf raubeinig wirkende Detectives der Mordkommission, die nicht gerne teilten, aber versuchten, es zu lernen. Außerdem hielt er nichts von One-Night-Stands und war tatsächlich auf eine feste Beziehung aus. Und egal was seine Bekannten behaupteten, er wusste sehr wohl, wie man lächelte.
    Ein lautes Klopfen an der Tür ließ ihn hochfahren. Wahrscheinlich bloß ein weiterer Nachbar, der wissen wollte, wie man sich vor dem Auge des Gesetzes versteckte, oder dem es ein Bedürfnis war, das Ende der Welt zu verkünden. „Verschwinden Sie, hier ist niemand.“
    Noch ein Klopfen, dieses Mal noch lauter und nachdrücklicher. „Ich beiße nicht“, sagte eine Frauenstimme, „jedenfalls nicht mehr als ein paar Mal.“
    Er mochte die Stimme. Sanft und süß und doch entschlossen. Dennoch, ein vernunftbegabter Mensch bot normalerweise keinem Fremden an, an ihm zu knabbern.
    Mit raschen Bewegungen setzte er seine Waffe wieder zusammen und steckte sie hinten in den Bund seiner Sporthose. Das Gewicht der

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