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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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mitten in Moskau. Das architektonische Prinzip hinter dem Hoover Building schien nicht zu lauten, ein eindrucksvolles Gebäude zu schaffen, sondern eines, das unzerstörbar wirkte. Seine Form besaß nichts Verschnörkeltes oder Schmückendes, es wirkte wie eine Mischung aus Parkplatz und Kraftwerk, als würde das FBI in die gleiche Nutzkategorie fallen. Das Archiv, das auf keinem Stadtplan und in keinem offiziellen Register eingetragen war, lag drei Blocks vom Hoover Building entfernt in der Eighth Street. Es besaß weder ein Schild noch eine Rezeption, nur eine unauffällige Tür, die direkt auf die Straße führte, wie ein Notausgang. Die Tür hatte sich zwischen zwei große Büros gezwängt, ohne Hausnummer oder Briefkasten, wie ein Zauberportal, an dem jeder auf der Straße vorbeilief, ohne etwas von den Geheimnissen dahinter zu ahnen.
    Clarke holte seinen Schlüssel hervor, öffnete die Tür und schaltete das Licht ein, das auf eine schmale Treppe fiel. Er winkte Leo herein und schloss die Tür hinter ihnen ab, bevor er die Treppe hinunterging. Die Luft war trocken und klimatisiert. Am Fuß der Treppe schaltete Clarke in einem kleinen, tristen Büro eine Alarmanlage aus. Neben dem Büro befand sich eine verschlossene Stahltür, wie in einem Banktresor. Nachdem Clarke einen Code eingegeben hatte, öffnete sich die Tür mit einem leisen Zischen. Automatisch schaltete sich Licht ein, mit einem trägen Flackern sprangen rasch nacheinander Leuchtstofflampen an und enthüllten, wie weit sich das Archiv ausdehnte.
    Es war deutlich größer, als Leo erwartet hatte, auf mehreren Hundert Metern erstreckten sich Reihen von Stahlregalen. Aber anders als in einer Bibliothek standen hier keine Bücher. Alles war in einheitlichen braunen Pappkartons verstaut, Tausende standen nebeneinander, mit jeweils genau dem gleichen Abstand. Leo sah Clarke an.
    – Das alles?
    Clarke nickte.
    – Material aus siebzig Jahren, das meiste geklärt, einiges nicht.
    Als Leo weitergehen wollte, legte Clarke ihm eine Hand auf die Schulter.
    – Bevor wir anfangen, gibt es ein paar Regeln zu beachten. Ich habe die Anweisung, Sie zu durchsuchen, bevor Sie gehen. Fassen Sie das bitte nicht als Beleidigung auf, das ist das übliche Vorgehen und betrifft alle Besucher. Wenn Sie etwas anfassen, müssen Sie diese Handschuhe tragen. Ansonsten können Sie sich ansehen, was Sie wollen. Füller oder Tinte jeglicher Art sind nicht erlaubt. Sie haben keinen Stift bei sich, oder?
    Leo schüttelte den Kopf, dann zog er seine Jacke aus und hängte sie im Büro auf. Clarke meinte:
    – Nehmen Sie die Jacke lieber mit. Es ist kalt, der Raum wird zur besseren Konservierung klimatisiert.
    Gekühlte Spionagegeheimnisse aus siebzig Jahren, Tausende Versuche zu verraten, zu täuschen und zu morden, wurden konserviert, als gehörten sie zu den größten Leistungen der Menschheit.
    Der Raum besaß keine besonders hohe Decke, war dafür aber auffallend breit, was ihm surreale Proportionen verlieh; er sah aus wie ein eingedrückter Schuhkarton. Das ganze Archiv bestand aus Beton, sowohl der Boden als auch die Wände, so dass zwei Farben dominierten: das Grau des Betons und das Braun der Pappe. Ein Summen lag in der Luft, und gelegentlich ließ eine vorbeifahrende U-Bahn den Raum leicht beben. Ein Mittelgang vom einen Ende des Archivs zum anderen teilte es in zwei Hälften. Jeder Gang war mit einer Nummer markiert. Zeichen oder schriftliche Erklärungen waren nirgends zu sehen. Clarke hatte offenbar Leos Gedanken erraten und bemerkte:
    – Keine Sorge, Sie sollen nicht alles durchsehen. Ich habe ein paar Kartons herausgestellt, zu denen Sie vielleicht etwas sagen können. Aber Sie können auch herumlaufen und sehen, ob Ihnen irgendwas ins Auge fällt. Machen Sie sich doch mit dem Archiv vertraut, bevor wir uns an das Material setzen, das ich ausgesucht habe.
    Trotz des Vorschlags, er könnte sich ruhig umsehen, war Clarke nicht von seiner Seite gewichen.
    Leicht befangen blieb Leo vor einem Gang stehen, den er zufällig auswählte. Die Pappkartons waren ordentlich nebeneinander aufgereiht. Auf jedem klebte ein Zettel mit einer Nummer darauf, die bei einem flüchtigen Blick nichts aussagte. Weil die Kartons mit Deckeln verschlossen waren, konnte man sie nicht schnell durchsehen. Clarke meinte:
    – Im Büro liegt ein Referenzkatalog, der zu den Nummern eine Beschreibung des Inhalts liefert. Aber nicht alles wird in Kartons aufbewahrt, ein paar Gegenstände haben eine

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