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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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ungewöhnliche Form oder sind so groß, dass sie für sich stehen. Die Sachen sind weiter hinten, am Ende des Gangs. Ich hole den Katalog mal, vielleicht hilft das.
    Clarke lief zu dem Büro zurück. Leo ging unruhig umher – mit den Gedanken war er bei seinen Nachforschungen. Müßig öffnete er den Karton neben sich. Er steckte voller Geld, gebündelte Scheine zu fünf oder zehn Dollar, von geringem Wert, aber makellos und unbenutzt, ein kleines Vermögen. Leo vermutete, dass die Scheine Fälschungen aus sowjetischer Produktion waren. Ein Geldbündel steckte in einer Plastiktüte mit der Aufschrift VORSICHT . Wahrscheinlich haftete eine Chemikalie an den Scheinen, vielleicht sogar ein Gift. Leo setzte den Deckel wieder auf, wechselte in den nächsten Gang und öffnete einen zweiten Karton. Darin fand er wissenschaftliches Gerät, ein Mikroskop und einen anderen Apparat, den er nicht erkannte. Die Stücke waren überholt, vielleicht fünfzig Jahre alt. Wieder fand er keine Erklärung, nichts Schriftliches. Nach dem dritten und vierten Karton dämmerte ihm, dass der Großteil des Archivs aus banalen Gegenständen bestehen würde. Scheinbar hatten die Amerikaner alles gesammelt, was auch nur ansatzweise mit sowjetischer Spionage zu tun hatte.
    Als Leo sich gerade umdrehen wollte, um auf Clarke zu warten, entdeckte er die übergroßen Gegenstände. Im hinteren Teil des Archivs fand er einen Gehstock aus knorrigem Holz. Er spielte einen Moment lang damit herum und überlegte, ob er ein Geheimfach besaß, irgendeine Zusatzfunktion, vielleicht eine vergiftete Spitze. Dann gab er auf und legte den Stock zurück in das Regal. Er sah einen altmodischen Sendeempfänger, so groß wie ein Fernseher, mit dem vielleicht jemand geheime Meldungen ausgetauscht hatte. Daneben stand ein Koffer.
    Leo ging in die Hocke. Seine Hände zitterten, als er sie auf den Koffer legte. Während sich seine Hände im Laufe der Jahre sichtlich verändert hatten, traf das auf den Koffer nicht zu. Er war altmodisch, mit einem Ledergriff und verrosteten Stahlschlössern. Obwohl Leo ihn seit sechzehn Jahren nicht gesehen hatte, war das fraglos derselbe Koffer, den er als junger Geheimpolizist gekauft hatte.
    Diesen Koffer hatte Raisa nach New York mitgenommen.

Am selben Tag
    Leo stand auf und spähte zwischen den Kartons hindurch, ob Clarke in der Nähe war. Er war nirgends zu sehen. Dann wandte er sich wieder dem Koffer zu. Seine Hände zitterten vor gespannter Erwartung, als er die Schlösser mit einem Klacken öffnete und in den Koffer sah.
    Die Enttäuschung war niederschmetternd. Der Koffer war leer. Mit tiefen Atemzügen beruhigte er sich. Er fuhr mit den Händen über das Futter, suchte nach einer Botschaft, einem Brief, der unter dem Stoff versteckt wartete. Es waren weder Messerschnitte noch Nähte zu sehen. Er untersuchte den Koffer von außen, drehte ihn um und tastete den Boden und die Ecken ab. Dann erklangen Clarkes Schritte auf dem Betonboden.
    – Mr. Demidow?
    Der Koffer lieferte keine weiteren Spuren. Leo betrachtete die benachbarten Gegenstände, mindestens zwanzig weitere Koffer. Er erkannte keinen davon wieder. Sojas und Elenas Sachen waren sicher auch hier. Man hatte sie konfisziert, die Mädchen waren nur mit der Kleidung auf ihrem Leib nach Russland zurückgekehrt, alles andere hatte man ihnen weggenommen. Leo prägte sich die Lagernummer von Raisas Koffer ein. Clarkes Schritte kamen näher, er war nur noch einige Meter entfernt. Als er in Sichtweite kam, stand Leo auf und trat einen Schritt von dem Koffer seiner Frau weg.
    Clarke lächelte ihn an.
    – Haben Sie etwas gefunden?
    – Nein, nichts Interessantes.
    Ein schwaches Dementi. Clarke ging nicht darauf ein. Er trug ein großes, gebundenes Buch in einer schützenden Plastikhülle bei sich.
    – Das ist der Katalog.
    Leo nahm das Buch entgegen, seine Entdeckung erwähnte er nicht. Bemüht ruhig und gelassen schlug er das Buch auf und blätterte darin. Clarke legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.
    – Ich war so frei und habe ein paar Kartons mit Gegenständen herausgesucht, zu denen ich gerne Ihre Meinung hören würde.
    Der Lesebereich lag gleich neben dem Büro. Ein Tisch stand bereit, dazu eine Tischlampe, ein Stuhl und mehrere Kartons mit Gegenständen, die er sich ansehen sollte. Clarke redete eine Weile auf Leo ein, er erklärte, was ihn am Inhalt der Kartons interessierte. Leo hörte kaum hin, die Verzögerung war für ihn eine Qual, er wollte

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