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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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hätte beibringen können, dann die Fähigkeit, eine Lüge zu erkennen.
    Elena war klar gewesen, dass ein Tagebuch ein Risiko darstellte, besonders bei dem, was sie vorgehabt hatte, deshalb hatte sie einen primitiven Code benutzt, mit Zahlen für Namen und einer Kurzschrift für Beschreibungen. Wäre er nicht Elenas Vater gewesen, hätte er Schwierigkeiten gehabt, den Inhalt zu verstehen. Aber in den meisten Fällen konnte Leo die Zahlen durch Namen ersetzen. Für den Propagandaoffizier Iwanow stand die Zahl 55. Die Zahl 71 meinte Jesse Austin, die umgekehrte Ziffernfolge – 17 – seine Frau Anna Austin. Dieser Code verriet eine Menge über Elenas romantisches Wesen. Einigen Zahlen konnte Leo keine Namen zuordnen, dabei stand für ihn fest, dass sie die wichtigsten waren:
    AGENT 6
    In ihrem hastigen Eintrag hatte sie ihn nur mit den Worten beschrieben:
    Er macht mir Angst.
    Der Code bezog sich auf einen FBI -Agenten, den Elena in Harlem gesehen hatte, als er Jesse Austins Wohnung verließ; derselbe Mann war ihr zurück zum Hotel gefolgt.
    Dieses Mal fuhr Leo nicht allein nach Harlem. Nara saß neben ihm. Während ihrer Ausbildung in Kabul hatte sie an einem einzigen Fall gearbeitet – an der Verhaftung eines verliebten Deserteurs, die zu seiner Hinrichtung geführt hatte. Es erschien angemessen, dass Leo ihr die Möglichkeit gab, ihre kurze Karriere als Ermittlerin mit einem Fall gegen jemanden abzuschließen, der es verdiente, gefasst zu werden. Abgesehen von dieser edlen Absicht sah es in Wahrheit so aus, dass er sie brauchte. Naras Englischkenntnisse überragten seine bei Weitem. Sie hatte unermüdlich ihren Wortschatz erweitert, sie wollte sich anpassen, New York zu ihrer Heimat machen und eine Arbeit finden. Sie sprach nicht nur flüssig Englisch, sondern war auch schön und charmant, während er schroff und zottelig wirkte. Vielleicht konnte sie Leute zum Reden bringen, bei denen es Leo nicht gelungen war. Es wäre vernünftig gewesen, sie von Anfang an um Hilfe zu bitten, aber er war sich nicht sicher, ob er sie in die Sache verwickeln sollte. Sie hätte sich verpflichtet gefühlt, ihm zu helfen, egal ob sie mit den Nachforschungen einverstanden gewesen wäre oder nicht. Weil geheime Informationen im Spiel waren, würde sie gegen die Auflagen ihres Asyls verstoßen, und er wollte sie damit nicht belasten.
    Nach seiner Rückkehr aus Washington sah Leo allerdings ein, dass er keine Zeit mehr verlieren durfte. Nara hatte zugehört, während er ihr alles erzählt hatte, von der Recherche in der Bibliothek und den vergeblichen Fragen in Harlem. Sie war bestürzt darüber, dass er in all der Zeit nie die Stadt erkundet hatte, sondern lediglich in die Vergangenheit abgetaucht war. Und wie erwartet hatte sie Angst, ihre amerikanischen Gastgeber vor den Kopf zu stoßen. Immerhin musste Nara auch an Zabis Zukunft denken. Trotzdem empfand sie es als ihre Pflicht, Leo zu helfen. Sie verdankte ihm ihr Leben. Erfüllt von gemischten Gefühlen, von Widerwillen und einer düsteren Vorahnung ebenso wie von Pflichtgefühl und Neugier, willigte sie ein, bei der Suche nach Raisas Mörder zu helfen.
    Das Taxi hielt an. Leo stieg aus und hielt Nara die Tür auf. Er griff in eine Tasche, um den Fahrer zu bezahlen. Neben dem Geld steckten die Notizen, die er aus dem Tagebuch abgeschrieben hatte, und die herausgerissene Seite. In dem letzten, entscheidenden Eintrag hatte Elena einen Mann erwähnt, der sie zu Jesse Austins Wohnung gebracht hatte, einen ungehaltenen, alten Mann, den sie als Nummer 111 bezeichnete. Jesse Austin hatte Elena erklärt, dass der Mann wütend war, weil er einen Eisenwarenladen führte und fand, Kommunismus sei schlecht für das Geschäft und schlecht für die Leute im Viertel. Eine dürftige Spur.
    Leo beschloss, zur Hausnummer 111 auf der 145th Street zu gehen, fand aber statt des erhofften Eisenwarenladens nur ein Wohnhaus. Nachdem sie sich in den Flur geschlichen hatten, klopfte Leo an Tür 111, dann sprachen Leo und Nara mit dem Besitzer, einem älteren Mann, der den Großteil seines Lebens in dieser Wohnung verbracht, nie einen Eisenwarenladen besessen hatte und nicht begriff, warum das jemand wissen wollte. Trotzdem fragte Leo ihn, ob er Jesse Austin gekannt hatte. Der alte Mann bedachte Leo mit einem seltsamen Blick. Offensichtlich hatte er Austin gekannt, vielleicht sogar gut, aber er schüttelte den Kopf und schloss die Tür. Leo sah Nara an und schüttelte ebenfalls entnervt den

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