Agent der Sterne
dramatisch für dich klingt, liegt es an den etwas gedrechselten Formulierungen unserer Hohen Sprache. Inzwischen kennst du mich gut genug, um zu wissen, dass wir normalerweise nicht so reden. Aber wir brauchen deine Einschätzung. Du kennst dein Volk viel besser, als wir es jemals kennenlernen werden. Wir brauchen dich, um zu verstehen, ob wir hier und jetzt Kontakt mit den Menschen aufnehmen können. Ist es dir jetzt etwas klarer geworden?«
Ich nickte.
»Also gut«, sagte Gwedif. »Der Ientcio spricht jetzt zu dir. Er heißt dich offiziell an Bord der Ionar willkommen, wünscht dir Glück zu diesem Zeitpunkt deiner Reise und möchte dir deine Gastgeber vorstellen, die Besatzung der Ionar. Und er hofft, dass du es entsprechend anerkennen wirst.«
»Wie soll ich das tun?«
»Gute Frage. So etwas hat noch nie ein Mensch getan. Versuch’s mit Winken, und ich mache den passenden Duft dazu.«
Ich stand auf und winkte. Zweitausend Yherajk reckten Tentakel in die Höhe und winkten zurück.
»Ich habe gesagt, dass du unsere Gastfreundschaft anerkennst und der Besatzung alles Glück zu diesem Zeitpunkt der Reise wünschst. Das ist mehr oder weniger die korrekte Erwiderung, mit der du keine weiteren Verpflichtungen eingehst. War das so in Ordnung?«
»Ja.« Ich setzte mich wieder.
»Gut. Jetzt berichtet Uake dir von unserer Reise und erklärt, was wir durch eure Radio- und Fernsehsendungen über euch erfahren haben. Seine genauen Worte sind aufgrund der Komplexität der Hohen Sprache unübersetzbar, aber das Fazit lautet ungefähr, dass eure Sendungen zwar auf eine reichhaltige und faszinierende Kultur schließen lassen, wir sie aber gleichzeitig als sehr widersprüchlich und verwirrend empfunden haben. Es gibt keine Struktur in dem, was euer Planet in den Weltraum sendet.«
»Nun ja, macht euch klar, dass es Fernsehen ist«, sagte ich. »Menschen sollen diese Sendungen verstehen. Sie sind gar nicht für andere Empfänger gedacht. Das ist gewissermaßen nur der Restmüll. Es gibt da bei uns noch ein wissenschaftliches Projekt, das Botschaften an außerirdische Zivilisationen in den Weltraum sendet. Das ist unser einziges Programm, das sich an ein nichtmenschliches Publikum wendet.«
»Der Ientcio möchte dir sagen, dass wir diese Sendungen des SETI-Projekts sehr wohl empfangen haben. Wir fanden sie… es lässt sich wohl am besten mit amüsant auf den Punkt bringen. Euer Fernsehen ist viel interessanter.«
Ich fragte mich, was Carl Sagan dazu gesagt hätte, wenn er noch am Leben gewesen wäre.
»Der Ientcio geht nun darauf ein«, fuhr Gwedif fort, »dass wir aus euren Radio- und Fernsehprogrammen durchaus einiges über euch lernen konnten. Einige von uns, und hier spielt er offensichtlich auf mich an, beherrschen inzwischen die englische Sprache und konnten sich ein ungefähres Bild über euren Planeten und die Kulturgeschichte deines Volkes machen.
Uns ist jedoch bewusst geworden, dass es uns nicht möglich war, eine klare Unterscheidung zwischen Fakten und Fiktionen zu treffen – was eine tatsächliche Beschreibung eurer Kultur darstellt und was lediglich eure Fantasien sind. Wir verstehen beispielsweise sehr wohl den Unterschied zwischen Nachrichtensendungen und Unterhaltungsprogrammen. Aber uns fehlt der Kontext, um zu erkennen, welches von beiden die Übertreibung des anderen darstellt. Das ist für uns sehr frustrierend – denn auf die Yherajk macht ihr den Eindruck zwanghafter Lügner, die selber nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu sehen. Jetzt verstehst du vielleicht, dass wir gewisse Sorgen hinsichtlich einer Kontaktaufnahme mit euch haben. Wir brauchen jemanden, der uns den Kontext gibt, damit wir Wahrheit und Lüge unterscheiden können und die tatsächlichen Verhältnisse auf eurem Planeten korrekt einschätzen können.
Das ist für uns von ganz besonderem Interesse, da es auch die Einstellung der Menschheit gegenüber der Möglichkeit eines Kontakts mit Aliens betrifft. Das SETI-Projekt lässt darauf schließen, dass ihr aktiv den Kontakt zu anderen Spezies sucht, doch euer Unterhaltungsprogramm deutet darauf hin, dass ihr in Wirklichkeit feindselig auf ein solches Ereignis reagieren würdet. Ihr werdet von der Angst beherrscht, dass außerirdische Völker versuchen könnten, euren Planeten zu unterwerfen. Und wenn ihr Aliens doch einmal als friedlich oder wohlmeinend darstellt, haben sie in der Regel ein humanoides Aussehen. Wenn sie dagegen feindselig
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