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Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)

Titel: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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das »verflixte siebte Jahr«, in dem wir lernen, das »wir« in »du« und »ich« zu teilen.
    Kinder kämpfen für ihre persönliche Integrität, wenn Eltern ihre Grenzen überschreiten, ihre Begrenzungen ignorieren und ihre Träume missachten, aber wenn Eltern beharrlich genug sind, wird ein Großteil der Kinder den Kampf aufgeben und den Eltern entgegenkommen. Ein Kind entscheidet so etwas nicht bewusst; es wird schätzungsweise in neun von zehn Fällen seine persönliche Integrität zugunsten der Kooperation opfern.
    3. Loyalität
    Loyalität – insbesondere der Kinder gegenüber ihren nächsten Angehörigen – ist bereits seit einigen Generationen eine wohlbekannte Tatsache in der Kinder- und Familienpsychologie. Kinder bewahren die »Familiengeheimnisse« bereits ab dem Alter von drei Jahren, selbst wenn ihre Eltern sie dazu gar nicht ermutigen. Das tun Kinder vor allem, wenn es zwischen Vater und Mutter öfters Konflikte gibt, wenn einer von beiden zu viel trinkt und besonders, wenn sie selbst Opfer von Verletzungen und Missbrauch werden. Für Erzieher, Lehrer und Pädagogen erwächst daraus die Notwendigkeit, sehr viel Geduld aufzubringen, wenn es darum geht, die Ursachen für die Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes außerhalb seiner Familie herauszufinden. Denn für ein Kind bedeutet das Offenbaren des wahren Sachverhaltes, seine Sicherheit aufzugeben – es riskiert damit, dass die Situation in seiner Familie eskaliert und noch destruktiver wird. Die Loyalität von Kindern zeigt sich am stärksten dann, wenn Eltern sich scheiden lassen wollen und diese Entscheidung auf ernsten und endlosen Konflikten wie Streitereien basiert.
    Manchmal ist es schwierig, den Unterschied zwischen Loyalität und Kooperation im Verhalten eines Kindes wahrzunehmen, jedoch halte ich beide für die wichtigsten Mittel, über die Kinder versuchen, wertvoll zu sein für jene, die sie lieben und von denen sie abhängig sind.
    4. Blockierter Beziehungsprozess
    Unsere auf Liebe beruhenden Beziehungen laufen nicht immer glatt. Hin und wieder tauchen Hürden auf. Wir versuchen sie in der Folge mit eher ineffizienten Reaktionsmustern zu beseitigen, die wir aus unserer Ursprungsfamilie mitgebracht haben, und sehen uns mit einem akuten Mangel an Perspektiven und Erfahrungen konfrontiert. In jeder Familie kommt so etwas vor – und zwar, weil wir uns lieben.
    Sobald eine der involvierten Personen eine von den aufgetauchten Hürden wahrnimmt, macht sie gleichzeitig die Erfahrung, nicht mehr wertvoll zu sein, und wenn das geschieht, reagiert sie aggressiv. Manchmal nur mit einer leichten Spur von Gereiztheit, manchmal mit Frustration oder Wut, manchmal sogar mit Zorn und Hass. Die Art, wie wir mit der an den Tag gelegten Aggression umgehen, hängt von unserem Alter und Geschlecht, von unserer Kultur und unserem Selbstwertgefühl ab.
    Alter
    Über viele Jahrhunderte wurde es den Kindern nicht erlaubt, für sich selbst einzutreten. Und als sich das 1970 endlich änderte, war die einzige Möglichkeit, mit ihrer Aggression umzugehen, jene, psychosomatische Symptome zu entwickeln: Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Schmerzen in der Brust usw. Kinder sind – das versuche ich später zu erklären – nicht immer in der Lage, ihre Schmerzen in Worte zu fassen –, aber zumindest bis zum Aufkommen des neuen Aggressionstabus war es ihnen möglich, sie in irgendeiner Form auszudrücken.
    Die etwas älteren Kinder – besonders die in Kindertagesstätten – werden heute konstant an ihre Wertlosigkeit erinnert, und ihre damit verbundene Wut wird mit Medikamenten zum Schweigen gebracht. Unsere Aufgabe ist zu überlegen, wie wir die Generation, die heute das Sagen hat, dazu bringen, der passiven Aggression gegenüber Kindern und alten Menschen Einhalt zu gebieten.
    Geschlecht
    Wie bereits erwähnt, war es Frauen über Jahrhunderte ebenfalls nicht erlaubt, offen ihre Aggression auszutragen – das heißt, aus voller Seele zu brüllen, zu schreien und zu schimpfen. Und verloren sie den Sinn für ihren Wert, fingen sie an zu weinen, anstatt aggressiv zu werden. Viele tun das bis heute. Das »Nette-Mädchen-Syndrom« wird man nicht so leicht los! Trotzdem beobachten wir heute mehr und mehr weibliche Teenager, die ihre Wut zeigen und ausleben, statt sie »in sich hineinzufressen« und selbstdestruktiv zu werden. Und obwohl sie dabei vielleicht andere Menschen verletzen, werte ich das als eine gute Nachricht für die

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