Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)
wie wir unsere Gefühle der Liebe in liebevolles Verhalten verwandeln – das heißt: in ein Verhalten, das die andere Person als Liebe erfährt. Das weiß niemand von Anfang an. In unserer Ursprungsfamilie wurde Liebe auf eine bestimmte Weise verstanden, und in der Familie des Partners oder anderer Freunde wird Liebe ganz anders verstanden. Jede Beziehung stellt an uns die Forderung, unsere Liebesfähigkeit zu erweitern.
Unsere aggressiven Emotionen werden immer dann mobilisiert, wenn wir uns nicht als so wertvoll für einen anderen Menschen empfinden, wie wir es gerne hätten. Diese Emotionen werden von Liebe gespeist, aber auch von unseren Schwächen – ob die nun altersbedingt sind oder von dem geprägt, was wir bislang gelernt oder nicht gelernt haben.
In einer Liste ausgedrückt, sieht das folgendermaßen aus:
Das Bedürfnis, im Leben eines anderen wertvoll zu sein
Kooperation
Loyalität
Blockierter Beziehungsprozess:
Irritabilität
Frustration
Wut
Zorn
Hass
Externalisierte Aggression/destruktives Verhalten
Internalisierte Aggression/selbstdestruktives Verhalten
Depression (einige Arten)
Psychosomatische Symptome
1. Das Bedürfnis, im Leben eines anderen Menschen wertvoll zu sein
Das Bedürfnis, im Leben eines anderen Menschen wertvoll zu sein, muss wortwörtlich verstanden werden: Der Mensch möchte Hilfe, Inspiration, Begleitung, Unterstützung sein – kurz: Er möchte das Leben eines anderen bereichern. Diese Tatsache steht in keinem Zusammenhang mit dem allgemein verbreiteten Gedanken aus der Ratgeberliteratur, dass der Mensch jeden überzeugen will, dass er der schönste, trefflichste, erstaunlichste, phantastischste, beeindruckendste ist. Mag sein, dass man auf diese Weise zu ein bisschen Selbstvertrauen kommt – oder zu einem großen Ego. Doch beruht dieser Rat auf der Illusion, dass wir allein sind und alles selbstverschuldet ist.
Es reicht ein Minimum der Erfahrung, dass wir im Leben eines anderen wertvoll sind, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Für unser geistiges und soziales Wohlergehen ist diese Erfahrung unerlässlich.
Wenn es gut läuft, beginnt das dadurch, dass Kleinkinder das Privileg genießen, akzeptiert und geliebt zu werden für das, was und wie sie sind. Während der restlichen Kindheit wird die Entwicklung ihres Selbstwertgefühls von der Erfahrung genährt, dass sie das Leben ihrer Eltern bereichern. Neben dem Ziel, die Welt ringsherum und sich selbst kennenzulernen, ist für Kinder nichts wichtiger, als ihre Eltern glücklich zu machen. Um dies zu erreichen, sind sie bereit, ihre Seele zu verbiegen und zu verdrehen, ja wahre Seiltänze zu vollführen. Wertvoll zu sein für die eigenen Eltern heißt nicht nur, zu deren Vergnügen beizutragen und deren Ambitionen zu erfüllen, sondern als wertvoll anerkannt zu werden, selbst wenn sie, die Kinder, vom Skript ihrer Eltern abweichen und ihrer eigenen inneren Stimme folgen.
Als Eltern nehmen wir in aller Dringlichkeit wahr, dass wir das Bedürfnis haben, rund um die Uhr im Leben unserer Kinder wertvoll zu sein. Egal, ob es darum geht, die Kinder zu ernähren, anzuziehen, etwas zu lehren, zu begleiten oder zu kontrollieren. Im Grunde sind wir mit alldem so beschäftigt, dass es manchmal schwierig wird, zu realisieren, wem zuliebe wir uns denn so einsetzen. Und so vergessen wir manchmal das, was am wichtigsten ist: dass die Beziehung zu unserem Kind eine zweispurige Straße sein muss, um erfüllt zu sein. Wir geben dem Kind alles, wozu wir in der Lage sind – in der Hoffnung, dass wir in seinem Leben wertvoll sind. Doch die Erfahrung, nur Empfänger zu sein, macht weder Kinder noch Eltern wertvoll für ihre Beziehung. Damit ein Kind sich wertvoll fühlt, müssen Eltern offen und bereit sein für das, was das Kind zu geben hat – egal, wie leicht oder schwer ihnen das fallen mag.
Wir wollen, dass es dem Kind in der Schule gut ergeht, dass es eine gute und solide Bildung erwirbt – und wenn das Kind all das erreicht, feiern wir es. Das ist leicht. Wenn aber unser Kind sich entschließt, die Schule zu schmeißen und als Seiltänzer zu leben, ist das für viele Eltern eine Herausforderung. Die Art, wie Eltern damit zurechtkommen, ist ausschlaggebend – ob sie die Entscheidung des Kindes als Anlass zur Sorge betrachten und sich langfristig auf Enttäuschungen einstellen, oder ob sie die Entscheidung als eine wertvolle Erweiterung ihrer eigenen Perspektive aufs Leben, die Liebe und das Glück anerkennen. Wir können
Weitere Kostenlose Bücher