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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Schlächter sollte nun an der Spitze des katholischen Heeres über den Grenzkamm des Böhmerwaldes ziehen; im kommenden Sommer bereits, wie der Konzilsbeschluss weiter lautete.
    „Jetzt ist es aus mit den Ketzern, jetzt müssen sie alle über die Klinge springen!“, tönte Herzog Ernst am Abend des gleichen Tages beim Bankett. „Unser Haus, das von Bayern-München, kann König Sigismund bei dieser Gelegenheit auch gleich seinen Dank für den Straubinger Urteilsspruch abstatten, von dem wir ja sehr profitiert haben! Aus diesem Grund, Albrecht, mag ich keinen Vasallen mit der Mission“ – der Glotzäugige lachte fistelnd – „betrauen! Du selbst, als der Thronfolger, sollst das bayrisch-oberländische Aufgebot kommandieren! Kannst dir einen Haufen Meriten erwerben dabei, mein Sohn; ich, wenn ich noch einmal so jung wäre wie du, ich wäre dankbar dafür!“
    Damit ergriff der Alte seinen Pokal, und der Dunkelhaarige tat ihm notgedrungen Bescheid. Insgeheim jedoch dachte er: Nun ist genau das eingetroffen, was ich befürchtet habe, und die Agnes, wenn ich es ihr sagen muss, wird vergehen vor Angst!
    In der Folge dann steigerte der Vohburger Graf sich in einen Rausch hinein wie seit Jahren nicht mehr; mit dröhnendem Schädel und einem grässlichen Grimmen im Leib trat er spät am nächsten Morgen den Heimritt an.

BÖHMEN/VOHBURG
August bis Dezember 1431

Gott muß für uns fechten,
solln die Hussiten weichen,
mit Herren, Rittern, Knechten
läßt sich da nichts erreichen.
Oswald von Wolkenstein

    Kratzig, kalt spürte Agnes Bernauer den Kalkstein unter ihren Handflächen; es fröstelte sie, obwohl die Morgensonne schon kräftig strahlte. Unterm klaren Licht lag das Donaumoos da, ebenso weiter drüben die Alb. Doch die Blonde, die sich auf die Wehrplattform des Bergfrieds geflüchtet hatte, fühlte sich ausgestoßen von der bukolischen Welt unten. Ein Schnitt, ein Hieb schien sie jäh abgetrennt zu haben von der Landschaft, die ihr in den beiden letzten Jahren zur Heimat geworden war. Gegen die steinerne Brustwehr presste Agnes die Handflächen, gegen das solide, unverbrüchliche Mauerwerk – und hatte dennoch das Empfinden, den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Im Grundlosen, irgendwie wassertriebig, schien ihr Da-Sein sich zu verlieren, während außerhalb ihrer zusammengekrachten Geborgenheit die Reiter entlang des Stromes nach Nordosten preschten.
    Das Grauenhafte hatte sich vorbereitet, seit Albrecht – etwas Wüstes und Wütendes im Blick – damals im März aus Basel zurückgekehrt war. Von da an hatte es zwischen ihm und ihr keine wirklich unbelastete Stunde mehr gegeben. Verspannt hatten sie in den Nächten nebeneinander gelegen. Selbst im körperlichen Einssein, wenn sie es verzweifelt gesucht hatten, war schartig und bitter die Schranke zwischen ihnen geblieben. Die Schranke, an der sie keine Schuld getragen hatten, die aber dennoch zwischen sie gefallen war, weil Albrecht nicht der Geliebten allein gehörte, sondern auch dem Herzogtum und dem Reich. Der Kirche dazu, der verfluchten und gotteslästerlichen, die molochisch das Zurückstellen der Liebe zugunsten des Krieges gefordert hatte. Und der Mann und das Weib hatten sich dem nicht entwinden können, hatten sich beugen müssen unter die menschenfeindliche Knute, waren gnadenlos durchs Frühjahr und den halben Sommer gepeitscht worden, bis dann zuletzt dieser Augustmorgen heraufgedämmert war; der sonnige und trotzdem so frostige Morgen der Trennung.
    Die Handflächen der Zwanzigjährigen krümmten sich ein, in den Stein krallten sich ihre Nägel; einer brach ab, sie bemerkte es nicht. Der Reiterzug draußen, in dessen Mitte unter dem Banner der Ritterliche galoppierte, verlor sich mit demselben Herzschlag hinter einer waldbestandenen Bodenwelle; im Dunkeln, im Nichts. Mit einem wehen, einem viehisch gequälten Ausdruck in den Augen löste die Bernauerin ihren Leib, ihren Schoß von der unnachgiebigen Brüstung und schleppte sich zur Falltür. Als sie in die Finsternis des Turminneren eintauchte, meinte sie noch einmal – ganz deutlich – den Gepanzerten zu sehen, doch im nächsten Moment verflirrte dieses Bild; stattdessen war jetzt ein Knochiger da, ein Totenschädeliger, und der hob die Sense und begann sie sausend zu schwingen.
*
    Das sausende, saugende Geräusch des im Halbkreis geschwungenen Eisens ließ Herzog Albrecht von Bayern-München, als er auf den Hof des Straubinger Schlosses hinaustrat, unwillkürlich zusammenzucken.

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