Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
durchaus hart daran, dennoch blieb ausreichend Zeit für das andere, das nur Agnes und Albrecht betraf; die Frau und den Mann. Am Flussufer, auf dem Herweg damals, hatte der Wittelsbacher seiner Geliebten das Versprechen gegeben, dass er ihr das Reiten richtig beibringen werde; hatte sie dadurch wiederum ein Stück weiter in seine eigene Welt hineinführen wollen. Nun machte Albrecht diese Ankündigung wahr, und auf ihrem Zelter, im Herrensitz jetzt, wurde die Blonde von Monat zu Monat sattelfester und sicherer.
In München, an der Isar, hätte Agnes sich auf keinen Fall so zeigen dürfen; Zeter und Mordio hätten die dortigen Moralapostel gebrüllt wegen der vorgeblich Schamlosen in den Männerhosen. Im ländlichen Städtchen an der Donau jedoch wurde der Anblick schmunzelnd hingenommen; augenzwinkernd blickten die Bürger den Liebenden nach, wenn sie über den Marktplatz trabten und dann, jenseits eines der Tore, die Sporen einsetzten. Immer weiter, nachdem die Bernauerin erst in die Übung gekommen war, dehnten sie und der Dunkelhaarige ihre Streifzüge aus. Bis Mehring hinauf preschten oder trödelten sie; ebenso manchmal hinüber nach Abensberg und gelegentlich noch weiter bis Weltenburg bei Kelheim, wo der Strom sich wie ein Fanal durch die Kalkfelsen fraß. An anderen Tagen wieder setzten sie über den Fluss, ritten in nordwestlicher Richtung weiter bis zur Altmühl und ließen die Rösser, nachdem sie irgendwo durchs Wasser gefurtet waren, die Hänge der Fränkischen Alb erklimmen. Zur Zeit der Kirschblüte erblickten sie die von hellem Gestein durchnarbten Hügel dort, unterm brennenden Sommerhimmel waren sie dankbar für einen kühlen Trunk aus einem der malerischen Dorfbrunnen; im Herbst dann schienen die Bergrücken in einem orgiastischen Farbenrausch aufzuglühen.
Mehr und mehr wurden die Alb und dazu die Donau ihnen auf diese Weise zur neuen Heimat; nur selten dachte Agnes jetzt noch an Augsburg, und dem Wittelsbacher schien München allmählich so fern zu sein, als läge es auf einem anderen Stern. Nur noch die eigene kleine Welt und das unbeschwerte Beisammensein in ihr zählten für das Paar; die Aufgaben dazu, die sich der Blonden und dem Dunkelhaarigen in Vohburg stellten. So verstrich ihnen das Jahr 1430 in ihrem manchmal stillen und manchmal tätigen Glück; als aber dann wiederum die Zeit der Wintersonnenwende herankam, begann die Idylle allmählich rissig zu werden.
Von den Bischofssitzen in Regensburg und Eichstätt sickerten die unguten Nachrichten nach Vohburg durch, weitere Depeschen erreichten Albrecht aus München. All dies aber hatte seinen Ursprung in Rom, wo das Oberhaupt der Christenheit einmal mehr lüstern nach Krieg, Gemetzel und Blutvergießen geworden war.
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Der junge Herzog von Bayern-München behielt die Informationen für sich, so lange er konnte. Es widerstrebte ihm, die Pferde scheu zu machen vor der Zeit; insgeheim – und eigentlich wider besseres Wissen – hoffte er verzweifelt, dass der Papst vielleicht doch noch zur Vernunft kommen würde. Dass Agnes und er weiterhin friedlich leben durften an der Donau; dass nichts von dem zerbrechen musste, was sie gemeinsam aufzubauen begonnen hatten. Doch für die kirchliche Politik zählten weder die Herzensgüte und die tätige Nächstenliebe der Baderstochter noch zählten die Wünsche eines Hochadligen, der durch die Nähe einer einfachen Frau zur Menschlichkeit gefunden hatte; für Rom zählte allein die Macht, und im Februar 1431 sah Albrecht keinen anderen Ausweg mehr, als der Blonden das Unerfreuliche mitzuteilen.
„Nach Basel ist ein Konzil einberufen worden, wegen der Hussiten!“, eröffnete er seiner Geliebten in dieser frostigen Nacht, in der draußen, vor dem bleiverglasten Kemenatenfenster, der Schnee stöberte. „Heute ist der Kurier mit der Nachricht aus der Residenz gekommen! Ein eigenhändiges Schreiben meines Vaters brachte er; ich soll mit Ernst zusammen an den Oberrhein reiten, nächste Woche schon!“
Während Albrecht dies gepresst sagte, vermeinte er wieder den Nachsatz vor sich zu sehen, der ganz unten auf dem protzigen Pergament angefügt worden war: ‚Dass die Teilnahme an dem Konzil eine Ehre für dich ist, weißt du‘, hatte der Alte ihm darin zu verstehen gegeben, ‚kann dir aber auch nicht schaden, dass du dich einmal von dem Badweib trennst, von welchem man mir hintenherum berichtet hat!‘ Genau dies hatte dem Dunkelhaarigen den Widerwillen noch verschärft; im Inwendigen geschmerzt
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