Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
vorne am Altar es schnell machen würden.
Albrecht wurde enttäuscht; das Gottpreisen, das blasphemische angesichts des bevorstehenden Überfalls auf Böhmen, dauerte mehr als vier Stunden. Als der Herzog die Kirche endlich wieder verlassen konnte, war es draußen bereits dunkel geworden. Die Straubinger Stadt schien jetzt von Wachtfeuern und Fackeln wie von Pockennarben übersät zu sein. Durch den Rauch, durch das Qualmen, einmal an einem Besoffenen vorbei, der in voller militärischer Montur in seinem eigenen ekligen Auswurf lag, suchten sich der Dreißigjährige und die Knappen den Weg zurück zum Schloss. Die Nacht, nachdem er sich dazu hatte zwingen müssen, wenigstens ein paar Bissen zu sich zu nehmen, verbrachte der Herzog, der das Teilheer aus dem Oberland und dem Straubinger Gäu nach Norden führen sollte, unruhig. Albträume quälten ihn; zwischendurch andere erotischer Art, in denen die Bernauerin ihn nackt bedrängte und ihn doch nicht zur Erfüllung gelangen ließ, weil ihr Schoß sich immer wieder in einen klaffenden, blutigen Menschenmund verwandelte. Zerschlagen und verschwitzt kam Albrecht am nächsten Morgen, als die Trompeten zu schmettern begannen, zu sich; anstatt das Tagesgebet zu sprechen, fluchte er schauerlich auf den vermaledeiten Kreuzzug.
*
Etliche Tage später war das Teilheer bis Cham vorgerückt, wo es sich nun mit dem Gros der Armee unter dem Oberbefehl des Kardinallegaten Julian Cesarini vereinigte. Die Laune des Wittelsbachers hatte sich seither nicht gebessert, eher noch verschlechtert. Schon der Marsch von Straubing bis hierher hatte den Söldnern und auch ihren adligen Anführern viel abverlangt. Mörderisch hatte die Sonne gestochen, wie Blei war der Himmel die ganze Zeit über gewesen; in den Lagernächten hatte Albrecht wiederum ständig unter Albträumen gelitten, hatte er sich zerschlagen gewälzt im Brutdunst und in der beklemmenden Nähe der ungeheuerlichen Menschenmasse.
Jetzt, am fünften Morgen des Feldzuges, hielt der Herzog auf einem Hügel etwas außerhalb der Stadt; neben seinem direkten Gefolge befand sich auch der Nothafft in seiner Begleitung. „Ich, wenn ich der Cesarini wäre, hätte den Tross hier in der Grenzfestung zurückgelassen!“, sagte der grobschlächtige Graf soeben. „Der Chamerauer ist auch dieser Meinung, ebenso der Sattelbogener! 34 Viel schlagkräftiger könnten wir sein, wenn bloß die Berittenen und das Fußvolk weiterziehen würden! Leichter beweglich wären wir dann, könnten besser taktieren! Aber der Kardinallegat frisst’s nicht, auch wenn etliche Herren es ihm deutlich genug gesteckt haben! Der vertraut darauf, dass wir hunderttausend Mann ins Feld führen können, und das andere, das die Vernunft gebieten würde, ist ihm egal! Himmelkreuzkruzitürken auch! In unser Unglück rennen wir; das sag’ ich Euch, Albrecht von München! Es sei denn, dass Ihr dem Großkotz noch ins Gewissen reden könnt …“
Der Wittelsbacher zuckte die Achseln, noch trug er bloß das Kettenhemd, nicht den Kampfharnisch, und hielt mit der Antwort zurück. Obwohl der Graf vermutlich recht hatte, empfand Albrecht plötzlich so etwas wie Hass ihm gegenüber. Wahrscheinlich deswegen, weil er von mir verlangt hat, dass ich mich mit dem Päpstlichen besprechen soll, dachte der Dunkelhaarige gequält. Aber ich kann den Cesarini nicht ausstehen; das Bankett letzte Nacht im Ratssaal hat mir bis zum Kotzen gereicht! Bloß vom Ausrotten und Hinmetzeln hat er geredet, und dass man es nicht nur den bewaffneten Ketzern zeigen müsse, sondern auch den Bauern im Böhmerwald! Ein Schwein ist er, ein protziges dazu; nicht um den Glauben geht es ihm, sondern ums Schlachten, Rauben und Großtun nachher! Nie hätte man ihm den Oberbefehl übertragen dürfen; überhaupt hätte es zu Basel anders laufen müssen, der ganze Kreuzzug ist ein Dreck! Und wenn er im Dreck steckenbleibt, dank der Trosskarren, dann soll’s mir nur recht sein! Dann kommt’s vielleicht überhaupt nicht zum Schlagen, und ich kann mit meinen Leuten umso schneller nach Vohburg zurück … – „Der Cesarini, wie ich ihn einschätze, würde mir was pfeifen“, wandte sich der Herzog nun endlich doch an den Wernberger. „Er ist der Oberbefehlshaber, und wir wissen beide, dass er drauf pocht! Außerdem marschiert das Heer ja schon, und wenn er’s jetzt noch mal anhalten müsste, damit die Bagage ausscheren kann, käme das einem Eingeständnis gleich, dass er den Feldzug falsch angefangen hat. –
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