Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Ross, sein Knecht hockte hinter ihm auf der Kruppe des Braunen und ließ, kaum dass er Halt gefunden hatte, den Dolch unter die Schweifrübe des Tieres nadeln. Der Wallach keilte aus, als sei er in einen Hornissenschwarm geraten, dann brach er sich Bahn, durch die brüllende und aufkreischende Menge hindurch, direkt unter die Wölbung des Stadttores hinein. Ein paar menschliche Körper taumelten beiseite, eine zu hastig und zu tief gefällte Hellebarde zersplitterte unter dem trommelnden Hufschlag; gleich darauf lag die Gasse frei vor den Strauchrittern da. „Weiter!“, keuchte der Jackl, sich wie ein Brünstiger an den Einschildner klammernd. „Quer durch die Stadt zum Osttor! Wenn wir das erreichen, haben wir es geschafft!“
Im selben Moment begriff er aber, dass es anders kommen würde, denn jetzt näherten sich von hinten bereits wieder die Rösser der Patrouille, und die mussten nur jeweils einen Reiter tragen. „Einen zweiten Gaul brauchen wir, sonst ist’s aus!“, schrie der Jackl, in Todesangst nun plötzlich wieder. Doch der Münnhauser lachte nur, gellend schien es über seine Schulter zurückzuschlagen; dem Knecht spöttisch ins Gesicht. Er lässt mich im Stich! Gleich kommt der Stoß, der Ellenbogenrempler!, dachte der Jackl in seiner Panik; verzweifelt klammerte er sich noch fester am Leib des anderen fest. Und dann noch einmal das Lachen, das gotteslästerliche, und in der Tat sah es mit dem nächsten Rosssprung so aus, als würde der auf der Kruppe den Halt verlieren. Der Einschildner nämlich riss den Wallach brutal in eine andere Gasse hinein. Die Hufe des Braunen schlidderten auf dem Pflaster, um ein Haar wäre es zum Sturz gekommen, aber als der Jackl wieder klar denken konnte, stellte er erstaunt fest, dass er sich immer noch am Körper des Raubritters festhielt. Der Münnhauser muss etwas anderes im Schild führen, als sich meiner zu entledigen, dachte er gehetzt, während das Ross weiterpreschte. Und dann verbreiterte sich das Sträßchen jäh und mündete in einen Platz ein – und an der gegenüberliegenden Seite des ummauerten Areals ragten die Zinnen und Türme der Alten Veste auf.
Der Einschildner trieb den jetzt entsetzlich schwitzenden Gaul direkt darauf zu, jagte ihn an den verdutzten Posten vorbei über die Brücke und durchs Tor, spornte ihn noch ein Stück weiter über den Hof und riss ihn dann vor dem Zugang zu einem Kellergewölbe in die Hanken 48 . „Dort hinein!“, herrschte er seinen Kumpan an, und sie rumpelten hinunter. Zwei wachfreie Landsknechte, die hier in ihrem Quartier gelegen hatten, fuhren erschrocken hoch; im nächsten Augenblick fanden sie sich mit etlichen Blessuren draußen auf dem Pflaster wieder, während die beiden Strauchritter drinnen den Sperrbalken in die Eisenkrampen links und rechts der Pforte zwängten. Nachdem der Münnhauser und sein Geselle sich vergewissert hatten, dass sich ausreichend Lebensmittel und Wein, dazu auch Waffen in ihrem Refugium befanden, trat der Ritter an die Schießscharte neben der verrammelten Tür und schrie den zwischenzeitlich auf dem Hof zusammengelaufenen Gaffern zu, dass er auf der Stelle den herzoglichen Burgvogt zu sprechen wünsche.
Die folgende Auseinandersetzung, in die sich lärmend immer wieder der geprellte Waibel des Streiftrupps einzumischen versuchte, war nur kurz. „Auf der Stelle kommt ihr heraus, ihr Halsabschneider und Mordbuben, oder ich lasse die Pforte mit einem Widder 49 einrennen!“, drohte der Oberkommandierende der Festungswache. „Das möchte ich sehen, ob so ein Rattenpack wie ihr sich mir nichts, dir nichts im Schloss des Thronfolgers von Bayern-München einnisten darf!“
„Wenn du den Bock einsetzen willst, nur zu!“, spottete der Einschildner. „Aber hier drinnen hat’s ein ganzes Dutzend Armbrüste, und mein Knecht, der Jackl, ist ein wahrer Meister mit dieser Waffe, das lass dir gesagt sein! Leicht könnt’s dann geschehen, dass dich der Herzog Albrecht hängen lässt nach seiner Rückkehr, weil du das Leben seiner Landsknechte leichtfertig aufs Spiel gesetzt hast! Ich und der Jackl haben nämlich keinen Hader mit dem Herzog; das mit den beiden Söldnern war bloß eine kleine Rauferei im Spaß! Hat keinem das Leben gekostet und keinem eine ernsthafte Wunde eingetragen! Auch sonst haben wir die Wittelsbacher nicht geschädigt; höchstens den Magistrat der Münchner Stadt, weil wir ein paar Dörper gerupft haben, die dem Rat, aber keinem der Herzöge zinspflichtig sind! Der
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