Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
über den Burghof traben und gleich darauf über die Zugbrücke verschwinden. Mit demselben Lidschlag fühlte sie sich plötzlich schrecklich verlassen. Auch der Gedanke, dass sicher bald die Waldeckerin zu ihr kommen würde, tröstete sie nicht. Etwas Ungutes schien sie und das Ungeborene auf einmal zu bedrohen; etwas, das möglicherweise gar nicht aus der Gegenwart, sondern aus einer noch fernen Zukunft kam. Dieses dunkle Gefühl, dieses Unwägbare und Klemmende, schleierte heran, verwich aber dann ebenso jäh wieder. Wie aus einem flüchtigen Albtraum, der sie aber in hellwachem Zustand überfallen hatte, schreckte die Bernauerin hoch. An das Kind dachte sie; vor allem seinetwegen riss sie sich zusammen, klammerte sie sich mit der ganzen seelischen Kraft, die ihr zur Verfügung stand, am Jetzt und am Realen fest. Es war nur eine törichte Anwandlung, dachte sie; in längstens vier Wochen wird Albrecht wieder bei mir sein, er hat es mir soeben noch gesagt! Und bis dahin will ich ihm und mir beweisen, dass ich seiner wert bin! Ich werde mich behaupten, hier am Hof; ich werde mir keine Blöße geben! Nicht noch einmal darf ich meinen Ängsten nachgeben; wahrscheinlich kommen sie sowieso bloß von der Schwangerschaft und haben gar nichts zu bedeuten. – Das Sichbewusstmachen ihres gesegneten Leibes vermittelte ihr zusätzliche Stärke. Sie trat vom Fenster zurück und nahm die Handarbeit wieder auf, mit der sie sich beschäftigt hatte, ehe der Vater ihres Kindes vorhin zu ihr gekommen war.
Albrecht wiederum hatte zwischenzeitlich die nahe gelegene Neue Veste erreicht; dort hatte seine Bedeckung sich mit den Leibwachen der beiden regierenden Herzöge von Bayern-München vereint. Zu dritt nahmen Ernst, sein Bruder Wilhelm und der Thronerbe nun den Weg zum Freisinger Tor; gleich jenseits des spitzgiebeligen Turmes wandte sich der Alte, der Glotzäugige, an seinen Sohn: „Schön ist’s, dass wir wieder einmal Seite an Seite reiten, auch wenn der Anlass, der uns zum Landtag nach Straubing führt, nicht gerade der erfreulichste ist! Werden sie aber schon durchfechten, die Notsteuer, die wir den Ständen aus dem Donaugäu auferlegen müssen! Sie werden’s nicht wagen, sich gegen uns zu stellen, nachdem wir uns entschlossen haben, den ganzen Einfluss unserer Familie in die Waagschale zu werfen! Haben wir die Abgaben erst glücklich im Sack, dann können wir deine Schwester Elisabeth ordentlich verheiraten! 41 Zeit wird’s, dass sie unter die Haube kommt, ehe wir sie noch als eine Übertragene 42 wie Sauerbier verschachern müssen!“ Ernst lachte dröhnend, versetzte seinem Sohn einen Rempler gegen den Arm und fuhr sodann fort: „Aber auch du musst dich jetzt endlich dazu entschließen, eine Gattin aus einer thronfähigen Dynastie vor den Altar zu führen! Einunddreißig Jahre bist du nun alt, hast mir schon einen Haufen guter Partien ausgeschlagen! Doch wenn erst die Elisabeth versorgt ist, kenne ich auch dir gegenüber keinen Pardon mehr! Die Jakobäa aus der holländisch-wittelsbachischen Linie wäre das passende Weib für dich; hast sie ja beim letzten Weihnachtsfest gesehen! Der steckst du heuer noch den Ring an den Finger, das verlange ich von dir! Dann fällt ihr ganzes reiches Erbe an unser Münchner Haus, dann stehen wir im Reich als eine der einflussreichsten Sippen da!“
„Zuerst müssen wir einmal zusehen, dass wir in Straubing Erfolg haben“, versetzte Albrecht. „Und was die Jakobäa angeht, so war ich im vergangenen Dezember weniger erbaut von ihr als du! Die hat Haare auf den Zähnen und eine fragwürdige Vergangenheit dazu! Dreimal war sie bereits verheiratet; den ersten Gatten brachte sie kurz nach der Hochzeit ins Grab, wie man munkelt; den zweiten verließ sie schnöde; der dritte, und das war noch dazu der Bruder des englischen Königs, nahm seinerseits vor ihr Reißaus! 43 Und jetzt verlangst du von mir, dass ich mich als der Lochschwager dieser Bedauernswerten in ihr Bett lege; bloß wegen ihres Geldes! Pfui Teufel! Eine Ehe muss auf anderen Fundamenten aufgerichtet werden, das ist meine Meinung dazu!“
Ernsts Ross kapriolte plötzlich, wurde mit brutaler Hand wieder bemeistert. „Ausflüchte!“, belferte der Alte, ein drohender Unterton schwang auf einmal in seiner Stimme mit. „Die Augsburgerin macht dich widerborstig, brauchst mir gar nichts zu erzählen! Ich hab’s dir nicht vorgeworfen bisher, dass du sie mit in die Residenz gebracht hast, hab’ auch kein Wort darüber verloren,
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