Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
das verdammte Ansinnen wehren soll! Der Sohn schuldet dem Vater Gehorsam, so steht’s schon in der Bibel, und wahrscheinlich hat’s der Teufel dort hineingeschmiert! Ich hab’s dem Ernst mehr als einmal hingerieben, dass ich dich liebe und keine andere will; dass du unser Kind unter dem Herzen trägst, wusste er ja sowieso schon lange zuvor! Aber er will’s nicht anerkennen, das Band, das zwischen uns besteht; zerschneiden will er’s, damit das Haus Wittelsbach noch mehr protzen kann als ohnehin schon!“
Als die Mooräugige jetzt haltlos zu schluchzen begann, riss Albrecht sie beinahe brutal in seine Arme; wie außer sich – aber wenigstens war jetzt nicht mehr die Kluft zwischen ihnen – schrie er sie an: „Du und ich, wir müssen zusammenhalten auf Biegen und Brechen, hörst du?! Der Alte hat die Macht, aber wir haben immer noch unsere Liebe! Die darf seinem Dünkel nicht nachgeben, die muss sich jetzt bewähren! Und damit er’s vielleicht doch noch begreift, der Versteinerte, wie ernst es uns damit ist, werden wir ihm schon morgen einen Tort antun! Nach Vohburg reisen wir ab, mit dem ersten Hahnenschrei! Die Holländerin wird mich nicht in der Residenz vorfinden, sollte sie wirklich so unverfroren sein, nach München zu kommen! Ja, so machen wir’s, Agnes! Wir verschanzen uns ganz einfach in unserer Grafenburg und ziehen die Zugbrücke hinter uns hoch!“
„Ich folge dir überallhin, das weißt du! Und nach der Donau sehne ich mich schon die ganze Zeit“, murmelte die Blonde. Insgeheim aber dachte sie: Ein Stück weit können wir vielleicht tatsächlich noch fliehen vor der Realität; ein kleines. Aber nur zu schnell wird sie uns wieder einholen – und was ist dann?! Was wird dann werden aus ihm und aus mir und aus unserem Kind …?!
Panik wollte sie befallen; die Furcht war noch ärger geworden als vorhin, da sie die Frage gestellt hatte. Doch dann war der Dunkelhaarige auf einmal wieder ganz bei ihr, war trotz ihrer Schwangerschaft plötzlich innig wie nie in ihr als Mann – als ihr Mann! Und sie vergaß alles, sie gab sich nur hin, und aus der Schranke, die eben noch zwischen ihnen gewesen war, wurde wahrlich eine Schranke gegen die ganze Welt.
VOHBURG/MÜNCHEN
September bis Dezember 1432
Hertzog Albrecht von Bayern zu München
hat aines Baders tochter mit namen Agnes,
ain fast schönes mensch, aufs höchste lieb gehabt,
also daß man sagt, der Herzog hatte sie
zu der ee genommen und die ee versprochen,
aber doch nit zur Kirche gefiert.
Aufzeichnungen des Benediktinermönchs
Clemens Sender
Agnes Bernauer, ohne dass es ihr bewusst wurde in dem wahnwitzigen Herantoben der Schmerzen, biss sich fest an ihren Fingerknöcheln. Die Wehen kamen jetzt in schneller, fast peitschender Folge, raubten der Einundzwanzigjährigen beinahe die Besinnung. Nur ganz undeutlich noch nahm sie die Körperkonturen der Hebamme am Fußende des Bettes wahr. Immer wieder trieb die Verlobte des Herzogs sehr nahe an eine messerscharf durchblitzte Ohnmacht heran, schrammte sie entlang am Rand einer Anderswelt, in der Schwärze und Grelles gnadenlos gegeneinander im Widerstreit lagen. Sowohl das Dunkle als auch das schrill Lichtelnde schienen der Gebärenden den Leib auseinanderschwertern zu wollen; wie Dolchklingen bohrte es sich hinein in ihr Fleisch, vom Schoß bis zum Herzen.
Warum?! Der blasphemische Gedanke tratzte in den wenigen peindumpferen Momenten dazwischen jedes Mal ihr Gehirn. Warum muss ich das ertragen?! Ist Gott denn ein Mörder?! Und war möglicherweise der Mann, der ihr dies angetan hatte, in Wahrheit ein Henker?! Auch das dachte die Verschwitzte, die Verkrümmte, die bis aufs Blut Geschundene in ihrer unsäglichen Qual, die sich jetzt immer noch weiter steigerte, die ihr nun schon kaum noch die Luft zum Atmen ließ. War alles Lüge?! War alles falsch?! War alles nur Blendwerk?! Ist das jetzt die Strafe dafür, dass ich mich vermessen habe, ohne Sinn und Verstand zu lieben?! Ich hätte es wissen müssen, schon damals, als die Pfalzgräfin wie eine Furie auf mich losging! Den Tod habe ich mir eingehandelt! Das Gerädert- und Zerfleischtwerden bei lebendigem Leib! Warum, verflucht, ist jetzt nicht die Holländerin an meiner Stelle?! Warum dreht sich der nicht das Schwert durchs Gekröse?! Die wollte es doch so haben …
In die dämpfige Schwüle eines Münchner Augusttages stürzte Agnes plötzlich zurück; eine Wehe, schrecklicher als alle vorhergegangenen, hatte sie mit einem wummernden Hieb
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