Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
zermetzeln dazu. Die Hände schlug Agnes vors Antlitz, gleich darauf spürte sie wieder den brutalen Griff am Arm; mehr hinausgeworfen denn geführt wurde sie unterm höhnischen, unterm teuflischen Gelächter und Spotten der vermeintlich so erlauchten Gesellschaft. Und draußen wartete diesmal keine Kutsche auf sie; da warteten nur die Nacht und der Straßenkot. Sie musste sich ihren Weg suchen wie durch feindliches Gelände, zurück zur Alten Veste, zum Sedlec, zur Margarethe, und sie schaffte es nur, weil sie die ganze Zeit über, während etwas unter ihrem Herzen biss und zerrte, an Albrecht dachte; daran, dass sie es ihm nicht antun durfte, das Kind zu verlieren.
Im Schloss dann, nachdem das erschrockene Hofmeisterpaar sie in seine Obhut genommen hatte, nachdem sie wieder sprechen konnte, erwiderte sie auf die betroffenen Fragen nichts; vielmehr brach es aus ihr heraus: „Was ist mit der Holländerin?! Stimmt es wirklich, dass der Herzog sie heiraten wird?! Er hat mir doch letztes Jahr, kurz vor Weihnachten, geschworen, dass sie ihm nichts bedeutet! Dass es nur mich für ihn gibt! Aber jetzt behauptet die Pfalzgräfin, dass …“
„Gerüchte!“, erwiderte die Waldeckerin, doch etwas in ihren Augen strafte sie Lügen. „Ihr solltet Euch nicht aufregen deswegen, es wird viel getratscht am Hof! Die Beatrix ist ein Miststück, die hat Euch nur quälen wollen!“
„Ja“, murmelte Agnes, „anders kann es nicht sein …“ Gleichzeitig spürte sie, dass die Hofmeisterin ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte; dass da etwas Fürchterliches im Busch war, vielleicht sogar noch über die Erniedrigung durch die Pfalzgräfin hinaus. Albrecht!, dachte sie irrational. Wenn mich jetzt überhaupt noch einer auffangen kann, dann er; nur er ganz allein! Sie dachte es, sie klammerte sich an diese auf einmal so irrwitzig gewordene Hoffnung, und die Sehnsucht nach ihm wurde daraufhin beinahe unerträglich.
*
Etwa zwei Wochen später, die Bernauerin hatte diese ganze Zeit über ihre Gemächer nicht mehr verlassen, kehrten die Herzöge nach München zurück.
Die Blonde sah den Vater ihres ungeborenen Kindes inmitten der Kavalkade in den Burghof preschen, sah die Reiter die Kellerpforte passieren, hinter welcher der Münnhauser und dessen Knecht sich verschanzt gehabt hatten; gleich darauf hörte sie die Schritte des Dunkelhaarigen auf der Stiege, und dann war er bei ihr. Sie hatte den Augenblick herbeigesehnt mit allen Fasern, doch jetzt verspannte sie sich in seinen Armen und dachte: Mein Gott, da sind Kerben in seinem Gesicht, Schmerzkerben; die hatte er noch nicht, als er aufbrach! Albrecht wiederum fühlte, wie verschreckt sie war; auch abgemagert schien sie zu sein, seltsamerweise, trotz der weiter fortgeschrittenen Schwangerschaft.
Sie küssten einander, ihre Leiber fanden sich, aber gleichzeitig schien ein Zuviel an Denken ihre Bewegungen, ihren Tastsinn und ihr Empfinden taub zu machen. Etwas Unbefangenes schien ihnen verloren gegangen zu sein, eine seelenknotige Schranke sich zwischen ihnen aufgebaut zu haben. Immer mühsamer versuchten sie im Verlauf der folgenden Stunde, dieses Schartige zu überbrücken; zu überschwänglich lobte der Thronerbe die junge Frau wegen der Sache mit den Strauchrittern, Agnes ihrerseits heuchelte allzu großes Interesse an den ihr im Grunde doch so gleichgültigen Straubinger Angelegenheiten. Zuletzt verstummten sie wie beschämt; Albrecht flüchtete sich in den Wein, die Blonde hatte die Hände jetzt um ihren aufgetriebenen Bauch gekrampft wie um eine Art letzter Bastion; über beiden aber hing, greifbar fast, eine nun buchstäblich unausgesprochene Angst. Aber dann kam die Nacht und mit ihr dennoch so etwas wie Hilfe, und aus der Furcht und der Dunkelheit heraus wagte die Bernauerin endlich, die Frage zu stellen.
„Deine Schwester behauptet, du würdest nun bald dynastisch heiraten, müsstest unser Kind und mich dann verstoßen!“, flüsterte Agnes. „Und ich weiß nicht mehr …“
„Zwingen will mich der Alte dazu!“, fiel er ihr wütend ins Wort. „Verflucht, ja! Er hat mich in Straubing jeden Tag damit bekniet! Ich hab’ nicht davon reden wollen, aber jetzt, da du es selber angesprochen hast, hat es auch keinen Sinn mehr, dass ich es weiter in mich hineinfresse! Man will mich mit der Jakobäa von Holland verkuppeln, um jeden Preis; ums Geld geht’s, um die Ländereien, die Hausmacht – und sonst um einen Dreck! Und ich weiß kaum noch, Agnes, wie ich mich gegen
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