Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
hast mir eine Tochter geschenkt!“ Der einunddreißigjährige Thronerbe von Bayern-München hielt das Wesen im Steckkissen so vorsichtig, als könnte es bei der geringsten unbedachten Bewegung zerbrechen. Umso zügelloser freilich malte sich die Freude auf seinem Antlitz. „Sie sieht dir ähnlich; hat deine Nase, deinen Mund!“, beteuerte er nun. „Sie wird einmal ebenso schön werden wie du! Ich sehe es direkt schon vor mir, wie sie den Männern den Kopf verdreht – unsere entzückende kleine Vohburger Gräfin …“
Agnes, zwischenzeitlich von der Hebamme gewaschen und durch einen Kräutertrunk der weisen Frau gestärkt, lächelte. „Bis dahin wird noch ein bisschen Zeit vergehen“, erwiderte sie. „Vorerst muss sie schlafen und dann, wenn mir die Milch eingeschossen ist, alle vier Stunden gestillt werden. Ich fürchte, du wirst uns beide bald nicht mehr so bezaubernd finden, falls du weiterhin die Kemenate mit mir und der Kleinen teilen willst. Du musst dann damit rechnen, dass unsere Tochter dich monatelang um den Nachtschlaf bringt …“
Albrecht gab genau die Antwort, welche die junge Mutter, im Unterbewussten halb, sich ersehnt hatte: „Mag sein, dass es anstrengend wird; trotzdem freue ich mich darauf! Denn es wird etwas sein, das du und ich gemeinsam haben; das keinem anderen Menschen außer uns gehört!“ Er schob die flache Hand unter das Köpfchen des Kindes; sein Umgang mit dem winzigen Wesen schien auf einmal viel sicherer geworden zu sein. Dann kniete der Herzog nieder neben dem Bett und legte das Mädchen zurück an Agnes’ Brust, in ihre Arme. „Hast du dich denn nun schon für einen Namen entschieden?“, wollte er wissen.
„Sie hat so geheimnisvolle Augen“, raunte die Blonde, fuhr dabei mit einem Finger ganz zart die Brauen- und Schläfenkonturen des Kindes nach. „Und du hast mir einmal von einem Orakel erzählt, einem heidnischen, das es einst in Rom gab. Sibylla möchte ich sie nennen; das klingt wie nach einer Fee und gleichzeitig so kraftvoll …“
„Sibylla!“ Der Dunkelhaarige schmeckte das Wort ab, nickte; mit demselben Lidschlag trat der Schalk in seine Pupillen. „Wir dürfen aber dann dem Betzwieser nicht zu genau erklären, wie wir drauf gekommen sind“, scherzte er.
„Ach was, der Pfarrer hier auf der Burg ist nicht so wie die meisten anderen“, gab die Wöchnerin zurück. „Er hat ein Herz, so groß, dass er’s manchmal selber nicht begreift. Für den zählt allein, dass wir glücklich sind mit unserer Sibylla. Hast du denn den Tag schon mit ihm abgesprochen, an dem er Sibylla“, wieder streichelte sie das Köpfchen, „taufen soll?“
„Sobald du dich stark genug fühlst, um in die Kapelle zu kommen, meinte er.“ Gleichzeitig verschwand der Übermut aus Albrechts Blick; sehr besorgt erkundigte er sich: „Strengt dich das Reden denn nicht zu sehr an? Glaubst du nicht, dass du dich jetzt ausruhen musst?“
Lächelnd, wiederum, schüttelte Agnes den Kopf. „Es tut mir so gut, dass du da bist und dich um mich sorgst. Ich glaube, keine Frau auf der ganzen Welt hat es so schön wie ich! Du und Sibylla, ich liebe euch so sehr! – Und was die Taufe angeht: In ein paar Tagen, ganz bestimmt, können wir unser Kind in die Kapelle tragen.“
Eine ganze Weile saß der Herzog danach noch auf der Bettkante, bis der Blonden zuletzt die Augen zufielen und sie in den natürlichen Erholungsschlaf wegglitt. Das Mädchen war an der Brust seiner Mutter schon lange zuvor eingeschlummert; nun betrachtete Albrecht noch einmal dieses Bild, das ihm wie ein Wunder erschien, ehe er leise nach draußen ging.
Vier Tage später hoben der Thronfolger von Bayern-München und Agnes Bernauer ihre Tochter gemeinsam über den Taufstein. Der Pfarrer ließ das Wasser über die Stirn des Säuglings rieseln und sprach die Worte, setzte aus eigenem und nicht unbedingt theologischem Antrieb heraus dann noch hinzu: „Dass immerdar die Liebe dein Leben bestimmen möge, Sibylla, das wünsche ich dir von ganzem Herzen! Deinen Eltern sollst du darin gleichen, aus deren übergroßer Liebe du entstanden bist, auch wenn sie vor der Welt nicht Gatte und Gattin sind! Ich aber glaube, dass Gott die Dinge manchmal anders sieht, und deswegen erteile ich euch allen dreien freudig meinen Segen!“
*
Die Worte des alten Priesters gingen Albrecht die folgenden Wochen über nicht mehr aus dem Kopf. Gestachelt letztlich hatte der Betzwieser ihn am Taufstein; er, der Herzog, war einen Augenblick lang
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