Agnes: Roman (German Edition)
nächste.«
»Aber wo?« fragte Agnes.
»Ich weiß es nicht.«
»Was geschieht mit uns, wenn du fertig bist?«
Ich zögerte. Schließlich sagte ich: »Darüber müssen wir reden.«
»Ja«, sagte Agnes, »genau das versuche ich.«
Wir schwiegen beide. Die Klimaanlage summte ungewöhnlich laut. Ganz leise summte Agnes mit, hielt den Ton lange an und setzte jedesmal nur kurz ab, um Atem zu holen.
»Was willst du?« fragte ich.
»Ich denke nach … Hört das nie auf?«
»Im Sommer kühlen sie, im Winter heizen sie.«
Wir schwiegen.
Dann sagte Agnes: »Ich bin schwanger … Ich kriege ein Kind«, sagte sie. »Freust du dich?«
Ich stand auf und ging in die Küche, um mir ein Bier zu holen. Als ich zurückkam, saß Agnes auf meinem Schreibtisch und spielte mit einem Kugelschreiber. Ich setzte mich neben sie, ohne sie zu berühren. Sie nahm mir die Flasche aus der Hand und trank einen Schluck.
»Schwangere Frauen sollten keinen Alkohol trinken«, sagte ich und lachte verkrampft.
Sie boxte mich in die Schulter. »Und?« fragte sie. »Was sagst du?«
»Nicht gerade, was ich mir vorgestellt habe. Warum? Hast du die Pille vergessen?«
»Der Arzt sagt, es kann auch mit der Pille passieren. Ein Prozent oder so der Frauen, die die Pille nehmen …«
Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts. Agnes begann, leise zu weinen.
»Agnes wird nicht schwanger«, sagte ich. »Das war nicht … Du liebst mich nicht. Nicht wirklich.«
»Warum sagst du das? Es ist nicht wahr. Ich habe nie … nie habe ich das gesagt.«
»Ich kenne dich. Ich kenne dich vielleicht besser als du dich selbst.«
»Das ist nicht wahr.«
Als müsse ich mich selbst überzeugen, sagte ich nur: »Sie ist nicht schwanger.«
Agnes rannte ins Schlafzimmer. Ich hörte, wie sie sich aufs Bett warf und laut schluchzte. Ich folgte ihr und blieb in der Tür stehen. Sie sagte etwas, das ich nicht verstand.
»Was sagst du?«
»Es ist dein Kind.«
»Ich will kein Kind. Ich kann kein Kind gebrauchen.«
»Was soll ich tun? Was willst du denn, daß ich tue? Ich kann es nicht ändern.«
Ich setzte mich aufs Bett und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Ich brauche kein Kind.«
»Ich brauche auch kein Kind. Aber ich bekomme eins.«
»Man kann das ändern«, sagte ich leise.
Agnes sprang auf und schaute mich an mit einer Mischung aus Ekel und Wut.
»Du willst, daß ich abtreibe?«
»Ich liebe dich. Wir müssen reden.«
»Immer sagst du, wir müssen reden. Aber du redest nie.«
»Jetzt rede ich.«
»Geh, geh weg. Laß mich. Du widerst mich an mit deiner Geschichte.«
Ich verließ das Zimmer. Ich zog mich warm an und ging nach draußen.
20
Lange wanderte ich am See entlang. Am Ende des Grant Park fand ich ein Café. Es war niemand darin zu sehen, aber als ich eintrat, kam die Kellnerin aus dem Hinterzimmer. Sie machte das Licht an und fragte mich, was ich wünsche. Sie brachte mir einen Kaffee und verschwand wieder durch die Tür hinter der Theke.
Draußen wurde es dunkler. Die Landschaft hinter den großen Scheiben wurde langsam unsichtbar, und bald sah ich nur noch mein eigenes Spiegelbild im Glas.
Vor vielen Jahren hatte ich einmal geglaubt, daß ich Vater würde. Ein Kondom war geplatzt. Ich hatte meiner damaligen Freundin nichts gesagt, aber mich wochenlang mit meiner künftigen Vaterrolle befaßt. Die Beziehung, in der ich lebte, war ziemlich zerrüttet, in der Zeit der Ungewißheit jedoch ergriff mich eine neue Liebe zu jener Frau, eine zärtliche Liebe ohne den Egoismus, der mir immer wieder vorgeworfen wird. Als sich schließlich herausstellte, daß meine Freundin nicht schwanger war, war ich enttäuscht und nahm es ihr übel, als sei sie schuld daran. Kurz darauf trennten wir uns. Ich machte ihr häßliche Vorwürfe, die sie nicht verstand, die sie nicht verstehen konnte, weil sie einer anderen Frau galten, einer Frau, die nur in meinen Gedanken existierte. Später hatte ich mir nie mehr ein Kind gewünscht.
Ich wollte schreiben, aber in der Eile hatte ich vergessen, meinen Notizblock einzustecken. Ich stand auf, um die Kellnerin zu rufen und um Papier zu bitten. Als sie endlich kam, bezahlte ich und ging.
Ich zog weiter, ging in eine Bar, dann in eine andere. Mitternacht war schon vorüber, als ich zum Doral Plaza zurückkam. Der Portier war abgelöst worden, und ein Nachtportier, den ich noch nie gesehen hatte, hielt mich an und fragte, was ich wünsche.
»Ich wohne hier.«
»Welche Nummer?«
»Im siebenundzwanzigsten
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