Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)

vor den Massen sein. Björn hat dafür kein Verständnis. Überhaupt kann er ihre Ängste nicht ertragen, kann sie nicht ernst nehmen, hat keine Lust, sich davon sein Leben bestimmen zu lassen. In den letzten Jahren ist er für Agnetha zumindest in geschäftlichen Dingen zum Fels in der Brandung geworden, zum Haltepunkt. Das reicht jetzt nicht mehr aus. Irgendwo im Kreischen der Fans geht die Verbindung zwischen den beiden verloren. Es heißt, die Frauen von ABBA hätten sich auf der Tournee mehrmals gezankt. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass sie unter hohem Zeitdruck insgesamt 77 Konzerte in vielen Ländern gegeben haben. Wenn die beiden dann in der Hitze des Augenblicks handgreiflich werden, gehen oft Benny und Björn dazwischen, die immer sehr ruhig sind. Diesmal aber habe sich Björn um Agnethas divenhaften Auftritte überhaupt nicht gekümmert, sei gleichgültig gewesen, wird es später heißen.
    In Adelaide wird es offensichtlich, dass Björn schwer verstimmt ist. Seit einigen Tagen haben er und Agnetha nicht mehr miteinander gesprochen. Mit einem Mal ist Björn dann wie von der Bildfläche verschwunden.
    John Spalding: „Sie hatten alle ein paar Drinks gekippt und plötzlich wusste niemand mehr, wo Björn war. Wir machten uns Sorgen, weil er auch nicht in seinem Zimmer war. Wir kontaktierten die Polizei, weil wir dachten, dass ihn jemand gekidnappt haben könnte. Wir suchten überall und fanden ihn dann im Zimmer von Lasse Hallström. Björn war völlig besoffen und lag mit Lasse auf dem Bett. Sie hatten sich gemeinsam ins Koma getrunken, ohne irgendjemandem etwas davon zu sagen.“ Warum er sich betrunken hat? Darüber sagt er nichts.
    In Perth gibt es kurz vor dem Ende der ersten Show eine Bombenwarnung. Benny spielt gerade sein Instrumentalstück „Intermezzo Nr. 1“ und ist so vertieft, dass er gar nicht bemerkt, dass alle Musiker die Bühne verlassen haben. Erst als das Publikum dazu aufgefordert wird, den Saal zu verlassen, bekommt er mit, was überhaupt los ist. Während die Polizei das Gebäude mit Hunden durchsucht, stehen ABBA draußen innerhalb einer Einzäunung in unmittelbarer Nähe der Fans der zweiten Show, die auf den Einlass warten. Benny nutzt die Wartezeit, um sie musikalisch auf seinem Akkordeon zu unterhalten.
    Anders Eljas, der als Keyboardspieler dabei war: „Benny spielte das Schifferklavier, ich borgte mir eine Violine aus und Stig Anderson trommelte auf Löffeln, alte schwedische Volkslieder, was eine Menge Spaß machte, weil die Leute das gar nicht verstanden und riefen: Das sind keine ABBA-Songs!“
    Agnetha und die anderen nehmen an diesem spontanen Konzert nicht teil, versuchen mit den neuen Ängsten, die die Bombendrohung auslösen, zurechtzukommen. Und sie merkt auch, dass sie die Menschenmengen an sich nicht mehr verträgt, dass sie Ängste in ihr auslösen.
    Agnetha: „Keiner, der es nicht erlebt hat, versteht, was das bedeutet, einer kreischenden, hysterischen Menschenmenge gegenüber zu stehen und dabei zu spüren, wie einen die Gänsehaut überläuft. Es ist ein schmaler Grat zwischen einem ekstatischen Gefühl von Glück und Angst. Das kann blitzschnell von einem ins andere umschlagen. Wer das erlebt hat, ist nicht mehr die Person, die er vorher war. Es verändert die Persönlichkeit. Etwas in einem ändert sich und von da an ist man offener dafür, Ängste zu entwickeln.“
    Frida hat diesmal ihren Sohn Hans dabei. Agnethas Kritik, dass Frida unverantwortlich sei, immer zu spät kommt oder ihren Auftritt nicht gut macht, ziehen diesmal nicht so sehr, weil sie sich als gute Mutter erweist, die Agnetha gern sein würde. In anderen Situationen hat sie unterschwellig Frida den Vorwurf machen können, dass sie sich nicht um ihre Kinder kümmert. Diesmal besteht dazu kein Anlass. Hans wirkt glücklich, er ist sichtlich beeindruckt von dem Erlebnis, lernt seine Mutter als strahlenden Stern am Firmament des Pop kennen. Die Australientournee ist für den Sohn von Frida der Auslöser für seine eigene Karriere im Showbusiness. Es wird bei ihm gerade der Samen für seinen späteren Berufswunsch gelegt, auch Sänger und Musikproduzent zu werden.
    Agnetha spürt durch Frida und ihren Sohn die Abwesenheit ihrer Tochter Linda umso mehr. Am liebsten würde sie sie einfliegen lassen, doch dazu ist die Strecke zu weit. Wenn Agnetha nun Frida kritisiert, dann nur, um Dampf abzulassen. Eigentlich wirft sie es Björn vor, dass er ihr diese Belastung zugemutet hat. Dass