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Agrarwende jetzt

Titel: Agrarwende jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Alt , Brigitte Alt
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Landmaschinenlobby und die Nahrungsmittelindustrie werden neben vielen Funktionären der Bauern und Landwirtschaftskammern zu den Hauptgegnern der agrarischen Transformation gehören. Sie werden ihre »Freunde« - hauptsächlich in den alten Parteien - gegen die Agrarwende mobilisieren. Zum Erreichen eines strategischen Ziels ist es wichtig, seine Gegner zu kennen sowie ihre Widerstandskraft und ihren Widerstandswillen realistisch einzuschätzen.
    Jede grundsätzliche politische Veränderung produziert Gewinner und Verlierer. Die Chemie- und Landmaschinenindustrie wird durch die Agrarwende riesige Verluste erleiden. Die Ernährungsindustrie steht vor der Grundsatzfrage, ob sie vollwertige Lebensmittel biologisch ebenso entwerten soll, wie sie dies derzeit mit Lebensmitteln zu Gunsten der Konservierung tut, oder ob sie ein Verarbeitungs- und Betriebssystem aufbauen kann, das ökologischen und gesundheitlichen Kriterien gerecht wird. Ohne Ökologisierung der Lebensmittelbranche wird es keine Ökologisierung des Nahrungsmittelmarktes geben.
    Widerstand ist auch von der Agrarwirtschaft zu erwarten. Es gibt heute an den Universitäten und Fachhochschulen zirka 500 Professoren für Land- und Forstwirtschaft. Etwa ein Prozent sind ökologisch orientiert und lehren ökologischen Landbau. Es wird viele Jahre dauern, bis dieser akademische Widerstand überwunden sein und ökologischer Landbau vorteilsfrei erforscht und gelehrt werden wird.
    Ohne großflächig wissenschaftliche Begleitung und Unterstützung wie zum Beispiel durch Max-Planck-Institute und Lehrstühle für ökologischen Landbau, ohne eine Bundesforschungsanstalt für ökologischen Landbau und entsprechende Landesforschungsanstalten sowie Fachhochschulen für biologische Landwirtschaft, fehlt die wissenschaftliche Basis für eine neue Landwirtschaft. Erst recht für eine neue Landwirtschaftspolitik. Die Protagonisten der Agrarwende haben diese wissenschaftlichen Voraussetzungen bisher zu wenig beachtet. Die heutige Politik ist so wissenschaftsgläubig, dass Unterstützung von dieser Seite geradezu die Voraussetzung für die Wende werden wird. In Österreich zum Beispiel macht die Landbauwende seit etwa fünf Jahren deshalb keine größeren Fortschritte mehr, weil nach einem euphorischen Start die breite wissenschaftliche Unterstützung fehlt. Die Politik allein hat weder Mut noch Perspektive. Das gilt mehr und mehr auch für die grünen Politikerinnen und Politiker. Auch sie denken lediglich bis zur nächsten oder übernächsten Wahl. Von Helmut Kohl stammt das Bonmot: »Politiker ist, wer an die nächste Wahl, Staatsmann, wer an die nächste Generation denkt!«
    Da es in der heutigen Politikerklasse kaum »Staatsmänner« gibt, ist die wissenschaftlich fundierte Unterstützung unseres Anliegens unabdingbare Voraussetzung zum Gelingen bis 2030.
    Als Karl Ludwig Schweisfurth seine Fleisch- und Wurstwarenfabrik verkauft und in den »Hermannsdörfer Landwerkstätten« mit Ökolandbau begonnen hatte, fragte er bei verschiedenen landwirtschaftlichen Fakultäten an, wie artgerechte, ökologische Schweinezucht aussehen könnte. Er wollte einerseits den Tieren ihre Würde lassen und andererseits ein gutes Fleischergebnis erzielen.
    Die Antworten, die er von den wissenschaftlichen Vertretern der Landwirtschaft erhielt, waren vielsagend: Man habe Rezepte für mehr Rationalisierung und Automatisierung und wisse, wie Arbeitskräfte in der Landwirtschaft eingespart werden könnten, aber die Frage nach artgerechter Tierhaltung und der Würde von Tieren habe bisher niemand gestellt. Das war im Jahr 1986. Karl Ludwig Schweisfurths Reaktion auf diese wissenschaftliche Ignoranz: »Wenn schon die Professoren uns keine Antwort geben konnten, mussten wir eben unsere Schweine fragen. Sie würden uns schon - auf ihre Weise - ihre Antwort geben, was sie gut fänden und was nicht.«
    Es dürfte klar geworden sein, dass am Ende der Agrarwende eine Landwirtschaft existieren wird, die sich von der heutigen wesentlich unterscheidet. Das ist sinnvoll und notwendig. Denn heute steckt die Landwirtschaft in einer tiefen Krise: Sie produziert Überschüsse, ist an der Umweltzerstörung beteiligt, stolpert von einem Skandal zum anderen, stellt immer weniger Arbeitsplätze zur Verfügung und verliert an Akzeptanz in der Bevölkerung.
    In den letzten 40 Jahren haben Landwirte in Westeuropa ihren Pestizideinsatz verfünffacht. Sie mussten rationalisieren und mechanisieren, vergrößern und erweitern

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