Agrippina - Kaiserin von Rom
gewonnen haben.«
»Er dreht aber nicht«, murmelte der Steuermann, ein vierschrötiger Riese, und wies nach hinten. »Er weht aus Nordwest, gerade wie wir’s brauchen, und daran wird sich auch die nächsten Tage nichts ändern.« Der Steuermann sollte Recht behalten. Es stürmte Tag und Nacht weiter, aber der Wind änderte seine Richtung nicht.
»Als wollten die Götter unsere Fahrt beschleunigen«, murmelte Valerius und blickte seinen Freund mitleidsvoll an. Gaius, dessen Gesicht spitz geworden war und seine Bräune verloren hatte, nickte nur, unfähig, ein Wort herauszubringen.
Zur vierten Stunde des dritten Tages hatten sie die latinische Küste erreicht, während der Sturm mit unverminderter Kraft tobte. Archygenes wies auf das nebelverhüllte Festland. »Dort liegt Portus Romae. Ich kann euch nicht nach Ostia bringen, das würde auffallen. Wir laufen den Hafen nie an! Steuer hart Ost! Refft das Hauptsegel! Langsam abfallen!«
Ein Leuchtturm, dessen mattes Feuer im Nebel undeutlich auszumachen war, zeigte die Einfahrt zum Hafengelände an. Sie passierten die schmale Einfahrt, die an beiden Seiten aus großen Travertinblöcken gefügt war und lediglich eine Öffnung von etwa siebzig Schritt freiließ.
» Ich lasse euch auf der Nordostmole von Bord, das erspart euch die lästigen Fragen der Hafenbehörde. Ihr geht die landseitige Hafenmauer entlang und stoßt nach gut fünfhundert Schritt auf die Via Portuensis . Ein Stückchen weiter findet ihr ein Gasthaus Ad Portum . Ihr werdet Pferde brauchen. Aber eure Diploma kanneuch da nichts nutzen. Sagt Caelianos, demWirt, Archygenes habe euch geschickt, und ihr werdet alles erhalten, was ihr braucht. Die Götter mögen den Cäsar schützen, und euch, das scheint mir im Augenblick fast das Gleiche zu sein!«
***
»So, Archygenes hat euch geschickt. Könnt ihr auch bezahlen?« Die Frage des einäugigen Wirts schien nur zu berechtigt, denn die durchnässten Seemäntel verdeckten nicht nur die Uniformen der beiden Tribune – Valerius und Gaius machten nach den harten Tagen an Deck einen recht abgerissenen Eindruck. Sie wirkten nicht gerade wie kaiserliche Eliteoffiziere, man hätte sie eher für berufsmäßige Bettler vom Forum halten können. Valerius wies auf seinen Geldbeutel, der das Auge des Wirts sofort glänzen ließ.
» Ihr sollt die besten Pferde haben, die Caelianos im Stall hat, wahre Perlen des Circus Maximus. Wie wäre es vorher mit einem kleinen Imbiss?«
Gerne nahmen die ausgehungerten Männer das Angebot an, und während die Mäntel am Feuer trockneten, stärkten sie sich ausgiebig mit kaltem Huhn und einem passablen Wein. Seit der Wirt den Rang seiner Gäste erkannt hatte, war sein mürrisches Benehmen aufmerksamer Freundlichkeit gewichen. Die von Caelianos gepriesenen Pferde allerdings machten den Eindruck, als suchten sie geradewegs den Weg zum Abdecker und stolperten trotz aller Anfeuerung müde über die neblige Straße.
»Mit diesen Schindmähren schaffen wir es nie bis Rom!«, schimpfte Gaius. »Perlen des Circus ! Bei meiner Ehre, jede Sesterze war zu viel!«
»Du hast ja Recht, aber andere hatte er nicht. Wir werden sie bei der nächsten Herberge eintauschen!«
Die Hafenstraße führte eine Weile am Tiber entlang, gabelte sich aber schon bald.
»Welchen Weg sollen wir nehmen?«
» Wir nehmen die Via Vitellia «, schlug Gaius vor, »die ist besser ausgebaut und schneller.«
An der nächsten Station des Cursus Publicus tauschten sie die traurigen Gäule unter Vorlage der Diploma gegen zwei ausgeruhte Legionspferde und preschten in schnellem Galopp in Richtung Rom. Quattuor Milia zeigte der nächste Straßenpfosten, und die geringe Distanz beflügelte ihren Ritt.
»Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«, rief Valerius.
»Glaubst du wirklich, dass sie schon so bald zuschlagen?«
»Sie werden nicht warten. Jeden Augenblick kann die tödliche Dosis den Cäsar erreichen.«
»Aber er hat doch einen Vorkoster!«
»Halotus, den Eunuchen? Vergiss ihn! Entweder ist er in den Plan eingeweiht, oder man wird ihn kurzerhand ausschalten. Agrippina wird schon etwas einfallen ...«
Sie gaben ihren Pferden die Sporen, und gegen Ende der sechsten Stunde überquerten sie den Tiber auf dem Pons Aemilius . Wenig später standen die beiden Tribune auf dem Forum Boarium.
»Rom! Ewiges Rom! Liebling der unsterblichen Götter!« Fasziniert beobachtete Valerius die Menschenmengen, die sich durch die Gassen schoben. Die Stadt schien wie im Aufruhr zu
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