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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Vergangenheit vor ihm auf: Agrippina im kaiserlichen Palast, das vom Kaiser unterzeichnete Todesurteil gegen ihn in ihren Händen. Sie zerreißt es und wirft es in eines der Kohlebecken. »Mein Sohn ist manchmal etwas ungestüm und muss noch einiges lernen.« So oder ähnlich hatte sie gesprochen. Und auch die anderen Worte fielen ihm wieder ein: »Vielleicht werde ich mich deiner einmal bedienen müssen, vielleicht wirst du gar einmal für mich arbeiten.« Und dabei hatte sie ihm ein wahrhaft kaiserliches Lächeln geschenkt. Verlegen hatte er damals geantwortet, dass man wohl nichts ausschließen könne. Jetzt schien der Zeitpunkt gekommen zu sein, diese zaghafte Zusage einzulösen. In Valerius’ Herz war kein Hass mehr gegen die mächtige Frau, die jetzt selbst in Gefahr geraten war. Sie hatte damals sein Leben gerettet, kein Zweifel. Zeit, seine Schulden zu begleichen!
    »Du schweigst?«, tönte die sonore Stimme des Volturcius Crassus durch den Raum und holte ihn wie von einer fernen Reise zurück. Mit Mühe versuchte Valerius seine Konzentration zurückzugewinnen. Er schüttelte die Vergangenheit aus dem Kopf und antwortete dann mit fester Stimme: »Nein!«
    »Nein? Wie meinst du das?«
    Valerius fuhr sich durch den schwarzen Lockenschopf, der an einigen Stellen schon von ersten grauen Haaren durchzogen war.
    »Ich meine, es ist kein Problem für mich. Als Soldat bin ich es gewohnt, Befehlen zu folgen. Und außerdem habe ich meine persönlichen Gründe. Die Vergangenheit war gestern, und doch, ungewöhnlich bleibt es, dass die Mutter des Kaisers einen ihrer früheren Widersacher um Hilfe angeht.«
    »Du hast ihr imponiert, Tribun. Mir übrigens auch. Außerdem haben wir dich als einen verschwiegenen, zuverlässigen und unbestechlichen Mann kennen gelernt, und davon gibt es heute nicht viele. Übrigens wirst du in Rom auf jemanden treffen, den du nur zu gut kennst. Aber lass dich überraschen. So, nun mache dich alsbald auf den Weg. Ich denke, du wirst vorher noch einige private Dinge regeln wollen. Leider kannst du die Schiffe unserer Flottezur Zeit nicht nutzen, da der Rhenus wegen der Eisschollen nicht zu befahren ist. Diese Diploma aber gewährt dir Zugang zum Cursus Publicus . Auf den Wegen der Kaiserlichen Post zu fahren ist doch immer noch sehr angenehm, nicht wahr? Und dieser Geldbeutel hier soll dir deine ersten Unkosten ersetzen. Ach, eins noch. Du hast gelesen: reise diskret. Du wirst also selbstverständlich nicht in Uniform und nicht unter deinem Namen reisen, das wäre viel zu gefährlich. Deine Reisevollmacht lautetet auf Decimus Batistus, du bist Kaufmann aus Narbo. Du bist ein wichtiger Heereslieferant und also berechtigt, den kaiserlichen Postweg zu benutzen. Lass dir einen Bart wachsen und schneide deine Haare, damit du nicht schon am Stadttor erkannt wirst. Die Gegenseite, wer immer es ist, wird Ausschau halten nach Agenten Agrippinas, also sei auf der Hut!«
    Der Curator lächelte und wies auf die Schriftrollen.
    »Und denke daran, Urlaubsschein und Reisevollmacht niemals gemeinsam vorzulegen! Sie sind auf verschiedene Namen ausgestellt! Du siehst, du spielst zwei Rollen, verwechsle sie nicht – es könnte dich den Kopf kosten! Und wenn du in Schwierigkeiten steckst, berufe dich nicht auf mich. Offiziell weiß ich von deiner Mission nichts, das wirst du sicher verstehen.«
    Ein Blick auf die Diploma zeigte Valerius, dass die Urkunde zwar ordnungsgemäß gesiegelt, aber unleserlich unterschrieben war. Der Curator hatte sich also abgesichert. Das Risiko lag allein auf seiner Seite.
    Der Beamte bemerkte den Blick und ein Grinsen zog über sein Gesicht. Er stand auf und legte seine Hand vertraulich auf die Schulter des Tribuns. »Die Götter seien mit dir, Marcus Valerius Aviola!«
    Stirnrunzelnd nahm Valerius Schriftstück und Geldbeutel an sich und fand sich wenig später auf dem schneeumtosten Forum wieder.

II.
In der Subura von Rom
    Februar des Jahres 59 n.Chr.
    Jäh hat sich abendliche Dunkelheit über die Provinzstadt am Rhein gesenkt. Nur wenige Menschen hasten durch die frostkalten Gassen. Leerer noch sind die schmalen Gassen an der Rückseite des Capitoliums, die kein Licht erhellt und kein freudvolles Kindergeschrei erfüllt. Die alten, meist verfallenen Häuser, die hier dicht gedrängt am Flussufer stehen, scheinen sich geradezu in den Schatten des großen Tempelgebäudes zu ducken, als seien sie sich ihrer Schäbigkeit bewusst. Üble Gerüche von billigem Kohl oder saurem Wein

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