Agrippina - Kaiserin von Rom
Seite geschleudert, landet mit dem Kopf an der Wand. Schon ist die Gestalt über ihr, ein Messer blitzt kurz auf, dann fährt ein hellroter Blutstrahl aus ihrer Kehle. Ein Röcheln begleitet ihren Sturz, dann verlöscht das armselige Leben. Vorsichtig steigt die Gestalt über den leblosen Leib, tastet sich den Gang entlang und nähert sich dem kaum erhellten Wohnraum. Ein höhnisches Grinsen zieht über die brutalen Gesichtszüge, als der betrunkene Statilius ins Blickfeld rückt.
»Bei den Gött... Göttern, wer bist du denn? Und wo ist Ho... Honoria?«
Trotz seines umnebelten Blicks gewahrt Statilius den Eindringling. Mit blöden Augen sieht er ihn an, spürt die Gefahr. Angst steigt in ihm auf. Zu spät versucht er sich zu erheben, der Körper macht nicht mit, sinkt zurück. Schon ist die Gestalt heran, mit kraftvoller Hand packt sie ihr Opfer, zieht eine Drahtschlinge aus der Tasche und legt sie Statilius um den Hals. Wild schlägt der ehemalige Aedil um sich, fegt den Weinkrug vom Tisch. Seine Fingernägel hinterlassen ihre Spuren im Gesicht des Angreifers, aber die Gestalt lässt nicht locker. Langsam erlahmt der Widerstand, einZucken nur noch, ein letztes Rasseln des Atems, dann liegt der Körper schlaff und schwer auf der Liege.
Mit einem leisen Fluch betastet der Täter die blutende Wunde, dann versetzt er der Leiche einen Tritt. Bedächtig blickt er sich um. Plötzlich greift er nach den Öllampen und schleudert sie durch den Raum. Während die Flammen sich gierig in Stoffe und Balken fressen, blickt er ein letztes Mal ungerührt auf sein Opfer. In aller Ruhe zückt er erneut sein kurzes Messer und zeichnet die Stirn des ehemaligen Aedils mit dem tödlichen Mal. Dann verlässt er das Haus in aller Ruhe.
Minuten später hallt es durch die abendlichen Gassen: »Feuer! Feuer! Holt die Vigiles herbei! Schnell, bringt Wasser! Im Hause der Honoria brennt es! Oh, bei allen Göttern, was für ein Unglück! Seht zu, dass das Feuer nicht auf mein Haus überspringt! So helft doch!«
Alles rennt wild durcheinander, schreit sich an, stolpert in der Dunkelheit. Da hat die todbringende Gestalt schon fast das Forum erreicht, und ein zufriedenes Lächeln zieht über ihr Gesicht.
***
Am späten Nachmittag der Kalenden des Februar rollte eine Kutsche über die Via Flaminia in Richtung Rom. Eis und Schnee hatten eine schlüpfrige Mischung aus Schlamm hinterlassen, die den Pferden den Tritt erschwerte und eine schnellere Geschwindigkeit verhinderte. Unter den Passagieren, die sich in ihre wärmenden Mäntel gehüllt hatten, befand sich auch ein bärtiger Mann mit militärisch kurzem Haarschnitt, der sich seinen Mitreisenden als Decimus Batistus vorgestellt hatte, Kaufmann für Wollstoffe und Heereslieferant aus Narbo. In flotter Fahrt überquerte das Gefährt den Tiber über den Pons Mulvius und durchlief dann eine Ebene, die auf beiden Seiten von steil ansteigenden, spärlich bebauten Hügeln begrenzt ist. Links und rechts säumten Grabmäler die Straße, meist in prachtvoller Ausstattung und offenbar gut gepflegt.
Kurz darauf passierten die Reisenden das in Sichtweite liegende Mausoleum des Augustus, das von einer Ehrenwache der Prätorianer bewacht wurde. Ernst blickte die übergroße Statue des verstorbenen Herrschers zur Stadt, als wolle er auch nach seinem Tode noch alles unter Kontrolle haben. Immergrüne Zypressen, aufs beste gehegt und sorgsam beschnitten, umstanden den Grabhügel aus weißem Marmor.
Für einen Augenblick musste Valerius daran denken, dass auch die Gebeine von Kaiser Claudius hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten und dass dieser sich vielleicht noch bester Gesundheit erfreuen könnte, wenn er nicht versagt hätte. Aber hätte man auch glauben können ...?
Unwillig wandte er sein Gesicht ab und musterte die Mitreisenden. Da er eine Kutsche der Kaiserlichen Post benutzte, handelte es sich sämtlich um Männer, die eine ähnliche Diploma vorweisen konnten wie er. Ihm gegenüber saß ein noch recht junger Mann, der unter seinem Wollmantel die Insignien eines Centurios der Kaiserlichen Garde trug. Daneben ein ältlicher Soldat, sicher ein Tabellarius, denn er bewachte seine Brief- und Dokumententasche argwöhnisch. Die beiden kannten sich offenbar gut, denn lange Zeit hatten sie ihre Mitreisenden durch den Austausch des neuesten Klatsches aus der Hauptstadt unterhalten.
Komplettiert wurde die Reisegruppe durch einen Präfekten, der offenbar aus der Provinz zur Berichterstattung in die Hauptstadt
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