Agrippina - Kaiserin von Rom
gerufen worden war. Jedenfalls hatte er dies seinen Mitreisenden mehrfach geschwätzig mitgeteilt, bevor das Gespräch kurz vor Rom eingeschlafen war. Valerius blickte wieder nach draußen, wo sich langsam Dämmerung über das Land zu legen begann. Es musste jetzt ungefähr die zehnte Stunde sein, was ihm und seinen Mitreisenden die Möglichkeit eröffnete, die Fahrt in die Innenstadt mit der Kutsche fortzusetzen.
Vor diesem Zeitpunkt hätten sie ihren Weg zu Fuß fortsetzen müssen, denn die Lex Iulia municipalis , vom großen Cäsar eingebracht, aber erst nach seinem Tode in Kraft getreten, verbot für die Zeit von Sonnenaufgang bis zur zehnten Stunde in allen Städten des Reiches die Benutzung von Wagen oder Pferd in den Wohngebieten. Außerhalb dieses Zeitraums war der Wagenverkehr in denStädten naturgemäß entsprechend chaotisch und brachte viele der Bürger um ihren Schlaf.
Müde blickte Valerius wieder durch das kleine Fenster. Die Ebene weitete sich jetzt spürbar aus und ging über in den Campus Martius, das Marsfeld. Diese große, unbebaute Freifläche diente bei besserem Wetter der Jugend Roms als Sport- und Trainingsfläche. Hier wurde gelaufen und gerungen, gefochten und geboxt, gespielt und gekämpft. Selbst Pferderennen fanden statt, so weitläufig war das Gelände. Und wer schwimmen konnte, mochte gar im nahen Tiber seine Bahnen ziehen. Gewöhnlich aber endete das schweißtreibende Training mit einem Besuch in einer der anliegenden Thermen.
Hier nahmen aber auch die Legionäre nach siegreichem Kampf Aufstellung zum Triumphzug, hier fanden die großen Begräbnisrituale für Kaiser und herausragende Politiker statt. Nun aber lag das Marsfeld ungewöhnlich leer und ruhig vor den Augen des Betrachters.
Ein grunzendes Lachen ließ Valerius seinen Blick nach innen wenden. Gerade lachte der Tabellarius laut auf und rief mit vor Freude geröteten Wangen: »Und hast du das von Opimius gehört?«
Der kaiserliche Centurio verneinte, und der Soldat, froh, wieder eine Geschichte zum besten geben zu können, prustete los: »Also, Opimius, du musst wissen, er ist der Onkel meines Schwagers, reich wie Crassus, aber ebenso geizig. Also, der war so geizig, dass er nur schlechten Vejentaner aus billigen Tonkrügen trank, meistens sogar nur verdorbenen Wein, denn der ist noch billiger.« Der Soldat schlug sich klatschend auf die Schenkel.
»Also, sei es, weil er immer diesen billigen Fusel trank oder einfach, weil er in die üblen Jahre gekommen war, eines Tages liegt er schwer krank danieder. Schon tanzen die Erben vergnügt ums Haus und suchen nach den Schlüsseln für die Schränke. Der Arzt kommt, aber kein Trank kann dem Armen helfen, er isst nichts mehr und verweigert das Trinken. Da lässt der Quacksalber, ein elender Graeculus natürlich, ein Tischlein bringen, befiehlt, alle Geldsäcke des Hauses auf ihm zu entleeren und heißt die Sklaven zählen. Das Geräusch der Münzen lässt den alten Geizhals erwachen, und mit blödem Blick schaut er auf das Tischlein mit dem Geld.
›Da du also bald sterben wirst, so sollen die Erben doch schon einmal mit dem Zählen anfangen‹, sagt der Medicus vergnügt.
›Was?‹, entgegnet Opimius empört, ›wo ich noch lebe?‹
›Eine Medizin hätt’ ich noch‹, lacht da der Arzt und deutet auf eine funkelnde Phiole.
›Und was soll die kosten?‹
›Ganz wenig.‹
›Und wie viel?‹
›Vier Sesterzen!‹
Darauf Opimius: ›Wie entsetzlich! Da ist’s ja ganz gleich, ob ich an der Krankheit oder an Raub und Diebstahl zugrunde gehe!‹
Hast du gehört? Für vier Sesterzen so ein Aufstand! Der Knicker! Für den Preis kann er gerade mal eine Tunica reinigen lassen. Hahaha.«
»... oder sich einmal in der Subura von Fortunata verwöhnen lassen, dem geilen Luder«, stimmte der Centurio brüllend in das Lachen ein, und auch Valerius konnte ein Schmunzeln kaum unterdrücken. Nur der Präfekt zog entrüstet die Nase hoch und blickte unwillig nach draußen.
Valerius reckte und streckte sich. Alle Glieder taten ihm weh. Fast drei Wochen hatte er nun auf dem Pferderücken oder in Kutschen verbracht, das reichte nun. Aber weit konnte es nicht mehr sein. Die Reisenden hatten inzwischen das Marsfeld hinter sich gelassen und auch den Ara pacis, den prächtigen Friedensaltar, den der römische Senat vor mehr als siebzig Jahren für den siegreichen Augustus hatte erbauen lassen. Auf der linken Seite waren schon auf Höhen und Abhängen die prächtigen Villen und Parkanlagen
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