Agrippina - Kaiserin von Rom
Palastes.«
Valerius ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. »Nero selbst?«
»Er oder Seneca oder Burrus oder Acte oder Poppaea oder Anicetus oder ein anderer, wer weiß das schon? Die Auswahl derer, die dafür in Frage kommen, ist groß.«
»Poppaea? Wer ist das? Und wer ist Anicetus? Ist der nicht Hofmeister im Palast ?«
»Du bist nicht auf dem Laufenden, Tribun. Warst wohl zu lange in der Provinz mit Stoffhandel beschäftigt. Also zunächst zu Poppaea. Sie ist die neue Favoritin am Hofe. Sie ist die Gattin von Otho und gilt als schönstes Weib in Rom. So etwas lässt sich der geile Cäsar nicht entgehen. Wer ihm gefällt, landet in seinem Bett, und er macht da kaum einen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein!«
»Erzähl mir mehr! Wie sieht es zur Zeit auf dem Palatin aus? Wer sind des Kaisers Berater? Wer steht ihm nahe? Mit wem geht er ins Bett? Was sind seine Pläne? Wenn ich helfen soll, muss ich alles wissen.«
»Fragen, Fragen, Fragen! Alle werde ich dir nicht beantworten können. Aber der Reihe nach. Nach wie vor sind Afranius Burrus und Lucius Annaeus Seneca seine engsten Berater. Beide kennst du gut.«
Valerius nickte.
»Dazu kommt in letzter Zeit Gaius Petronius.«
»Bei den Göttern! Petronius? Nur zu gut kenne ich ihn.«
»Manche halten ihn für einen oberflächlichen Schlemmer und Verschwender. Aber ich sage, unter dem stets gut frisierten Scheitel steckt ein eiskalter, gebildeter Kopf, der genau weiß, was er will.«
Valerius fand diese Beschreibung äußerst zutreffend und nickte.
»Wir haben früher manchen Becher gemeinsam geleert, aber einer solchen Tat halte ich ihn nicht für fähig. Er ist ... er ist ein Schöngeist, ein Ästhet. Er liebt ein gutes Mahl ebenso wie ein offenes Wort. Hoffentlich redet er sich nicht beim Cäsar um Kopf und Kragen. Ich hab’ ihn immer gemocht. Schade, dass sich unsere Wege nicht mehr kreuzen.«
Niger stand auf und ging auf und ab. »Nero nennt ihn seinen Arbiter Elegantiarum . Petronius berät ihn in allen Fragen, die Speise, Mode und dergleichen anbetreffen. Seit er auf Petronius hört, isst er nicht mehr so wahllos und unmäßig und hat sich wieder mehr dem Sport zugewendet. Für uns ist er ungefährlich. Dann ist da noch sein eitler Schönling Terpnus, der ihm Gesang und Lyraspiel beibringt. Vergiss ihn! Außerdem Anicetus, du hast Recht, er ist ehemaliger Lehrer und Hofmeister von Nero. Ihm hat der Kaiser nun die misenische Flotte anvertraut. Oh, ihr Götter, was soll aus Rom werden, wenn ein solcher Narr zum Flottenpräfecten aufsteigen kann!«
Valerius blickte Niger verwundert an. Solch theatralischen Äußerungen passten nicht zu ihm.
Niger schien das nicht zu bemerken. Hastig fuhr er fort: »Ohne Zweifel ein gefährlicher Ehrgeizling, auf den man ein Auge haben muss.«
»Teilt er das Bett des Kaisers?«
»Keine Ahnung! Der Kaiser hängt darüber keine Listen aus, und alles können meine Leute nicht in Erfahrung bringen.«
»Ist es dir noch nicht gelungen, einen deiner Leute unter seinem Bett zu platzieren?«, fragte Valerius mit einem süffisanten Lächeln.
Niger grinste boshaft. »Wäre in der Tat eine Idee, ich werde darüber nachdenken. Aber nun zu den Frauen am Hofe. Mit Octavia, der Tochter des Claudius, ist er noch verheiratet. Aber er rührt sie nicht an. Sie ist ihm zu blass, zu anständig, zu sittsam. Was sollte ein Wüstling wie er mit so einer Frau, die lieber strickt, als für ihn die Beine öffnet? Die lieber ihren Laren und Penaten opfert, als Gespielin seiner wilden Träume zu sein. Die Rolle hat Acte übernommen, seine langjährige Sklavin und willfährige Geliebte. Aber die hat sich vor kurzem still und heimlich vom Hofe verabschiedet. Der Cäsar war ihrer wohl überdrüssig, aber in Erinnerung an viele gemeinsame Liebesnächte hat er ihr eine stattliche Rente ausgesetzt und sie in Frieden gehen lassen. Jetzt ist es Poppaea, die er begehrt. Lollia Poppaea, Frau des Marcus Salvius Otho. Zu komisch, wenn es nicht so traurig wäre.«
»Wieso?«
»Weil Otho einer der alten Zechkumpane Neros war. Mit ihm ist er durch die Straßen gezogen und hat harmlose Bürger erschreckt. Otho hat allerdings den Fehler gemacht, vor Nero allzu oft mit den Reizen seiner Frau zu prahlen. Daraufhin hat Nero ihn zum Statthalter von Lusitanien ernannt und abgeschoben. Jetzt trauert der Narr im fernen Süden um seine Frau, und der Weg für Nero ist frei. Poppaea ist fast täglich im Palast, und nach allem, was mir von dort
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