Agrippina - Kaiserin von Rom
zugetragen wird, hetzt sie den Cäsar ständig gegen seine Mutter auf.«
»Wie steht Agrippina zu ihr?«
»Sie hasst sie, und sicher nicht ohne Grund. Das schöne Weib ist gefährlicher als alle anderen vorher. Nero ist ihr total verfallen, aber Poppaea ist listig. Sie ziert sich, spielt die Sittsame, die Keusche und lässt den Kaiser am langen Arm zappeln. Sie weiß genau, wie man einen Mann um seinen Verstand bringt, und Nero kann den Augenblick nicht erwarten, in dem sie in seine Arme sinkt.«
»Und er nimmt sie nicht mit Gewalt? Ich meine, so wie ich ihn einschätze, wird er keine ...«
»Nein!«, unterbrach ihn Niger. »Das tut er nicht, er hat es nicht einmal versucht. Er behandelt sie stets mit galanter Rücksichtnahme, macht ihr Geschenke und stolziert wie ein geiler Hahn um sie herum. Die Götter mögen wissen warum. Dabei hatte er in der Vergangenheit bei anderen Damen des Hofes damit kein Problem. Wer nicht in sein Bett will, den schleppen ihm die Leibgardisten an. Es kann nur einen Grund geben: Der Cäsar liebt sie! Nicht auszudenken, was aus solch einem Gefühl noch werden kann. Wehe Rom, wenn eine solche Frau auf dem Cäsarenthron sitzt. Die Götter mögen uns beistehen ...«
In diesem Augenblick öffnete sich leise die Tür. Tullius Torquatus Niger und Marcus Valerius Aviola erhoben sich gleichzeitig von ihren Plätzen.
IV.
Die schöne Poppaea
Agrippina war ohne Zweifel immer noch eine schöne Frau, der man ihre nahezu dreiundvierzig Jahre kaum ansah. Die weiße Tunica, die am Rand mit einer rot-goldenen Borte gesäumt war und über ein weit ausladendes Dekolletee verfügte, betonte die hohe feste Brust und den langen, schneeweißen Hals, der wie aus Alabaster gemeißelt zu sein schien. Die hohe Gestalt hatte nichts von ihrem schlanken Wuchs eingebüßt, auch wenn sie an den Hüften etwas breiter geworden war. Das Gesicht zeigte noch die reife Schönheit einer Frau, die in voller Blüte steht. Die trotzigen, leicht aufgeworfenen schmalen Lippen und die hohen Wangenknochen unterstrichen nachdrücklich, dass diese stolze Frau ihren Machtanspruch als Regentin noch längst nicht aufgegeben hatte.
Wie bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Valerius trug sie die dunkelblonden Haare zu strenger Frisur hochgebunden, was ihr klassisches Profil noch verstärkte. Alles an ihr verkörperte die römische Patrizierin, atmete Attraktivität und Begehrlichkeit. Valerius erschien sie schöner und anziehender als bei ihrem ersten Zusammentreffen vor fünf Jahren, und Agrippina entging der Eindruck nicht, den sie bei ihrem Besucher hinterlassen hatte. Mit grazilem, aber ungekünsteltem Gang kam sie auf den Tribun zu und öffnete die schmalen Lippen zu einem zurückhaltenden Lächeln voller Sinnlichkeit.
» Ich grüße dich, Tribun Marcus Valerius Aviola, obgleich ich bekennen muss, dass ich zweimal hinsehen musste, bevor ich dich unter deinem Bart und der Tracht des Provinzbewohners erkannte. Auch danke ich dir, dass du meinem Ruf gefolgt bist. In der heutigen Zeit, in der aus Freunden vielfach Feinde werden und alles nur noch nach seinem Vorteil abgeschätzt zu werden scheint, ist das keine Selbstverständlichkeit.«
Sie zwinkerte ihm fast vergnügt zu. »Vielleicht ist es auch die Erinnerung an das Kohlebecken, die dich nach Rom getrieben hat?«
Valerius verstand die Anspielung auf Neros Todesurteil gegen ihn, das Agrippina zerrissen und in einem Kohlebecken verbrannt hatte.
Er räusperte sich. »Ich habe das nicht vergessen. Ich habe aber auch nicht vergessen, was seinerzeit unter seiner Regie gegen mich veranstaltet wurde!« Seine Hand wies auf den neben ihm stehenden Niger.
»Aber die Tatsache, dass ich hier bin, mag dir zeigen, edle Augusta , dass ich bereit bin, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
Agrippina nickte zufrieden. »Bitte nehmt Platz!«
Die Männer setzten sich auf ein Sofa, während Agrippina ihnen gegenüber auf einem Stuhl Platz nahm, den Oberkörper kerzengerade aufgerichtet, den Kopf grazil in die Hände gestützt. Auch jetzt spielte sie die Rolle der edlen Aristokratin perfekt.
»Damals sagte ich dir, dass ich vielleicht noch einmal deiner bedarf. Nun, heute bedarf ich deiner!« Diese klaren Worte machten Eindruck auf Valerius.
»Ich gehe davon aus, dass mein guter Tullius Torquatus dabei ist, dich über die augenblicklichen Zustände ins Bild zu setzen.«
»So ist es, verehrte Augusta , ich war gerade dabei, unserem neuen Mitstreiter die Rolle Poppaeas zu
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