Agrippina - Kaiserin von Rom
Küche genießt einen außerordentlichen Ruf. Morgen werden wir uns dann zur achten Stunde am Argiletum treffen. Es gibt dort eine kleine Caupona, sie heißt Ad duos fratres. Hierhin zu kommen ist zu gefährlich, das Haus wird überwacht.«
»Gut, aber was wird Seneca zu meiner Verkleidung sagen?«
»Der alte Narr lebt in seiner eigenen Welt«, lachte Niger, »vermutlich wird er nicht einmal merken, dass du einen Bart hast. Erzähl ihm irgendetwas, dass in der Ubierstadt alle Männer Bärte tragen, wegen der Kälte oder so. Und zieh dir etwas elegantere Sachen an, du siehst wahrhaftig aus wie ein Bauernlümmel in deiner Provinztracht. Übrigens, wo hast du Quartier genommen?«
Valerius erzählte ihm kurz von seinem kleinen Zimmer in der Subura.
» Gaia Faustina? Ist mir unbekannt, aber egal, das ist gut, sehr gut. Niemand wird dich in einer solchen Absteige vermuten. Ein edler Valerier, der in Roms übelstem Viertel wohnt, unter Zuhältern, Dirnen und Halsabschneidern! Zu komisch!«
Wieder ein krächzendes Lachen. »Nun, was soll’s, der große Julius Cäsar ist dort groß geworden, nicht wahr? Ich sehe dich morgen!«
V.
Senecas Klage
Lucius Annaeus Seneca zeigte sich hocherfreut, den Tribun nach langer Zeit wieder einmal zu sehen. Valerius hatte sich umgezogen und den Thermen einen kurzen Besuch abgestattet. Den Friseur hatte er seinen Bart etwas stutzen lassen und sich angenehm erfrischt auf den Weg zum Esquilinus gemacht, wo der bekannteste Philosoph Roms sein Haus hatte.
Seneca war gerade im Begriff gewesen, seine Abendmahlzeit einzunehmen und lud den Tribun kurzerhand dazu ein. Valerius nahm die Einladung gerne an, denn er war mittlerweile hungrig geworden. Genau genommen hatte er gehofft, dass Seneca ihn zum Abendessen einladen würde, denn die Küche des Philosophen wurde in Rom gerühmt, wie Niger richtig angemerkt hatte.
Nach dem Austausch der üblichen freundlichen Förmlichkeiten beschloss Valerius, möglichst bald zum Punkt zu kommen. Aber bevor er beginnen konnte, kam ein Sklave herein und überbrachte Seneca eine Botschaft. Stirnrunzelnd überflog der Alte die Zeilen, und ein Seufzer der Qual entrang sich seiner Brust.
»Ach, bei den Göttern, nicht schon wieder!«
Fragend blickte Valerius ihn an.
»Eine Einladung! Eine Einladung zu den Spielen, die der Cäsar in einigen Tagen gibt!«
»Verabscheust du sie so sehr?«
»Verabscheuen? Das wäre untertrieben. Gibt es irgendetwas, was man mehr meiden sollte als die Menge?«
Bevor Valerius auf diese rhetorische Frage antworten konnte, fuhr Seneca schon fort: »Niemals kehre ich von solchen Veranstaltungen mit demselben Charakter zurück, mit dem ich vorher hingegangen war.«
Valerius blickte ihn einigermaßen ratlos an.
»Ich sehe, du verstehst mich nicht. Ich will versuchen, es dir zu erklären: Immer gerät etwas von dem, was ich vorher geordnethabe, durcheinander, etwas von dem, was ich verscheucht habe, stellt sich wieder ein. Es ist wie bei einem Kranken, der sich von langem Siechtum erholt hat und nun einen Rückfall erlebt.«
»Tut mir Leid, edler Seneca, ich verstehe immer noch nicht, was das mit den Spielen zu tun hat.«
»Mit den Spielen und vor allem mit der blutrünstigen Volksmenge, die johlend und grölend auf den Rängen sitzt. Der Umgang mit vielen ist immer verhängnisvoll, umso mehr mit solchen. Und je größer die Volksmenge ist, unter die wir uns mischen, umso größer die Gefahr.«
»Ja, aber ...«
»Nichts nämlich ist so schädlich für einen guten Charakter, wie bei einem solchen Schauspiel müßig dazusitzen.«
Valerius beschloss, die philosophischen Klagen seines Gastgebers schweigend über sich ergehen zu lassen und sich weiter an dem köstlichen Lammbraten gütlich zu tun. Der fuhr jedoch unbeirrt fort, offenkundig froh, einen stillen Zuhörer zu haben: »Da vor allem schleichen sich nämlich durch das Amüsement spielend Fehler ein. Was, meinst du, will ich wohl damit sagen?«
Der Lammbraten war wirklich ausgezeichnet!
»Geldgieriger kehre ich heim, ehrgeiziger, wollüstiger, mehr noch, grausamer und unmenschlicher, weil ich unter Menschen war und gerade noch unter solchen. Vor kurzem geriet ich mehr zufällig in eine Mittagsvorstellung, ganz in der Erwartung, etwas Scherz, Witz und Entspannung genießen zu können. Aber was musste ich sehen? Alle früheren Kämpfe waren verglichen damit die reine Barmherzigkeit; jetzt verzichtet man auf Possen, und was bleibt, ist der reine Menschenmord!«
Auch der rote
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