Agrippina - Kaiserin von Rom
Mamertiner passte hervorragend zum Braten ...
»Sie haben nichts, um sich zu schützen, dem Schlag mit dem ganzen Körper ausgesetzt, stoßen sie mit der Hand niemals vergeblich zu. Verstehst du? Kein Helm, kein Schild wehrt die Waffe ab. Wozu Rüstung? Wozu Fechtkünste? All das verzögert nur den Tod. Frühmorgens werden Menschen den Löwen und Bären, mittags ihrem eigenen Publikum vorgeworfen. Schlächter lässt man angehenden Schlächtern vorwerfen und spart den Sieger für ein weiteres Blutvergießen auf.«
Jetzt noch etwas Obst und ein wenig von dem süßen Gebäck in Eierschaum!
»Töte! Schlage zu! Hau ihm das Auge aus! Warum läuft jener so furchtsam ins Schwert? Warum tötet der da so zaghaft? Warum stirbt er so ungern? Das sind die Kommentare, die man von seinen Mitmenschen hört. Welch eine Welt! Einem Sokrates, Cato oder Laelius hätte diese Menge den Charakter nicht verändern können.«
Valerius begann, auf seiner Liege unruhig hin- und herzurutschen. Er war gesättigt, und langsam begann sich ein angenehmes Gefühl der Müdigkeit auszubreiten. Außerdem verströmten die Kohlebecken eine einschläfernde Hitze. Dennoch versuchte er, dem Philosophen das Gefühl ernsthaften Interesses zu vermitteln und gab ein teilnehmendes »Ach, das ist ja furchtbar!« von sich, ohne so recht zu wissen, ob das gerade eine passende Bemerkung gewesen war.
Der Philosoph, jedenfalls dankbar, dass es sich nur um eine kurze Unterbrechung seines Monologs gehandelt hatte, schien gleichwohl um ein Ende seiner Ausführungen bemüht.
»Ein Beispiel von Schwelgerei oder Habsucht richtet viel Unheil an. Ein verwöhnter Tischgenosse entkräftet und verweichlicht uns alle. Ein reicher Nachbar genügt, um in uns allen die Habsucht zu entfachen. Ein bösartiger Gefährte steckt auch einen noch so makellosen und ehrlichen Menschen mit seiner Verkommenheit an. Was glaubst du wohl, verehrter Valerius, widerfährt diesen Charakteren, wenn sie in der Öffentlichkeit solchen Angriffen ausgesetzt sind? Du musst sie entweder nachahmen oder hassen. Ich tue Letzteres und fühle mich doch dabei unwohl! Also: Ziehe dich in dich selbst zurück, soweit du kannst! Verkehre nur mit solchen, die dich bessern wollen, lass nur jene zu dir, die du zu bessern vermagst.«
Seneca nahm einen tiefen Zug aus dem Weinbecher und sah seinen Gast wohlwollend an.
»So darf ich aus der Tatsache, dass ich hier mit dir speise, schließen, dass du mich zum Kreise jener Auserwählten zählst?«, fragte Valerius mit einem Lächeln.
»Du darfst, Valerius, du darfst.«
Dann nahm Seneca die kaiserliche Einladung und zerriss sie vor den Augen des Tribuns.
»Ich werde sagen, dass mich eine Unpässlichkeit an der Teilnahme gehindert hat!«
»Und der Cäsar ? Wird er das akzeptieren?«
»Oh, ich hoffe doch! Bei solchen Gelegenheiten reicht es, wenn Petronius oder Burrus neben ihm sitzen. Und überdies werde ich all meinen Einfluss geltend machen, damit diese Orgien des Todes künftig unterbleiben!«
Valerius hielt die Gelegenheit nun für gekommen, behutsam mit seinen Fragen zu beginnen.
»Wie ... äh, ich meine ... wie siehst du den Cäsar heute? Siehst du deine Erziehung als erfolgreich und beendet an?«
»Beendet? So etwas kann nie zu einem Ende kommen. Wie hoch er steigen wird, steht in den Sternen geschrieben, das hab’ ich ihm immer gesagt. Siehe, mein Ziel war und ist es, aus Nero einen Herrscher zu machen, wie ihn Platon in seiner Politeia beschrieben hat.«
»Also ein Herrscher in der Rolle eines Philosophen: Allein im Besitz der Wahrheit, weil er die Idee des Guten geschaut und verstanden hat, und er daher nach dem Prinzip absoluter Gerechtigkeit fehlerlos regiert, nicht wahr? Die Gerechtigkeit aber beruht nicht auf dem Recht des Stärkeren, sondern ist, wie die Sophisten sagen, vielmehr eine Tugend, die der Weisheit entstammt.«
Seneca lächelte den Tribun wohlwollend an. »Lass mich dies mit einem Zitat aus meiner Medea bekräftigen: Iniqua numquam regna perpetuo manent – ungerechte Herrschaft ist niemals von Dauer. Ich sehe , du hast Platon offenbar nicht nur gelesen, sondern auch verstanden.«
»Vor dem Eintritt in den Militärdienst hat mir mein Vater eine zweijährige Erziehung bei Cleosthenes angedeihen lassen. Etwas ist sicher hängen geblieben. Aber sag, bei unserem letzten Zusammentreffen nanntest du deinen Zögling ein junges Füllen, das noch etwas der Leine bedürfe. Wie weit ist unser Füllen also nun? Bedarf es noch deiner
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