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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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hat.«
    Valerius hätte sich ohrfeigen können. Er hatte Senecas Misstrauen geweckt, und dabei hatte Agrippina ihn ausdrücklich gewarnt. Aber schon legte Seneca seinen Arm begütigend auf den Arm des Tribuns.
    »Ich mag dich, Tribun Marcus Valerius Aviola, stolzer Spross eines stolzen Geschlechts. Von mir hast du nichts zu befürchten. Es ist mir auch nicht entgangen, dass man dir vor Jahren übel mitgespielt hat. Aber war es nicht eben Agrippina, die das ins Werk gesetzt hat? Agrippina und dieser üble Bursche, wie heißt er doch gleich ... ja, Tullius Torquatus Niger. Vor dem solltest du dich in Acht nehmen. Er spielt falsch, er hat es immer getan, er kann gar nicht anders. Und jetzt machst du dir Sorgen um Agrippina? Warum? Du stehst doch nicht etwa in ihren Diensten?«
    »In ihren Diensten? Bei den Göttern, wie kommst du darauf ?«
    Aber Seneca schmunzelte nur. »Eigentlich müsste ich dir jetzt mit einem Zitat Ciceros antworten.«
    »Cicero? Wieso?« Valerius bekam einen hochroten Kopf und hielt es für besser, auf eine Erwiderung zu verzichten.
    Das Lächeln aus Senecas Gesicht war verschwunden, seine Miene wirkte jetzt nachdenklich.
    »Es stimmt also, du bist tatsächlich in ihren Dienst getreten. Arbeitest du jetzt gar mit jenem unsäglichen Niger zusammen?«
    Valerius schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Der alte Philosoph war ihm in allen Belangen überlegen, hatte ihn völlig durchschaut.
    »So lass dich warnen, mein junger Freund, warnen vor der Augusta und ihren Vasallen. Agrippina denkt nur an sich. Sie benutzt andere Menschen, solange sie von Nutzen sind. Wenn sie das nicht mehr sind, lässt sie sie fallen. So wird es dir auch gehen, und wenn ich mich nicht irre, ist es dir schon einmal so ergangen.«
    Lange blickte er Valerius mit einem väterlich-gütigen Blick an. Dann sagte er leise: »Du schweigst? So tue, was du tun musst, aber sei auf der Hut. Eine Schlange ist stets gefährlich, solange sie ihre Giftzähne hat. Und Agrippina hat die ihren noch. Und noch eins, mein Freund: Wenn du das nächste Mal jemanden aushorchen willst, so tue es mit mehr Sorgfalt und Diplomatie. Lasse den anderen nie wissen, warum du ihn befragst. Kleide deine Fragen in das Gewand der Unschuld, wenn du weißt, was ich meine. In einer Situation wie der, in der du zur Zeit zu stecken scheinst, kann dieser Rat dir einmal das Leben retten.«
    »Ich verstehe, edler Seneca, ich verstehe. Aber warum, warum passiert nur mir immer wieder so etwas? Ich meine, dass ich in solche Verwirrungen gerate und es so schwer fällt, gut und böse zu unterscheiden oder die richtige Wahl unter den Menschen zu treffen.«
    Seneca lächelte. »Das hat so ähnlich auch mein guter Lucilius gefragt, mit dem ich einen lebhaften Briefwechsel führe. Du kennst ihn?«
    »Flüchtig«, murmelte Valerius und das schmale, blasse Gesicht eines jungen Mannes mit schütterem blondem Haar tauchte in ihm auf. Irgendwann hatte er ihn einmal im Hause des Philosophen getroffen. Einen nachhaltigen Eindruck hatte der Jüngling aber nicht hinterlassen.
    »Und was hast du ihm geantwortet?«
    »Ich habe ihm eine kleine Schrift in die Hand gedrückt, die ich für ihn verfasst habe. De providentia ist ihr Titel, und sie beantwortet in Dialogform solche und ähnliche Fragen. Darin habe ich ihm Folgendes erklärt: Einem wahrhaft guten Mann kann nichts Schlimmes geschehen. Der Angriff des Unglücks verwirrt den Geist eines tapferen Mannes nicht. Er bleibt standhaft, und was immer geschieht: Er ist stärker als alles, was von außen an ihn herankommt. Ich sage nicht, dass jener die Widrigkeiten nicht verspürt,aber ein guter Mann besiegt sie eben alle und hält alles Übel für ... für Übungsfälle des Lebens.«
    »Übungsfälle des Lebens?«
    »Ja, genau, nur Übungsfälle, an denen ein guter Mann seinen Charakter und seine Fähigkeiten ausprobieren kann. Muss nicht jedem, der seine Pflicht tun will, die Untätigkeit eine Strafe sein? Erlahmen nicht auch die Muskeln, wenn man sie nicht bleibeschwert in Form hält? So behält auch der Geist eines Mannes seine Form nur, wenn er ständig in Gefahr sich bewähren kann, wobei die Gefahren für den Geist denen des Körpers gleich sein können.«
    Valerius hatte verstanden. Er nickte nur und verabschiedete sich.
    An der Tür lächelte der Philosoph ihm zu. »Übrigens, der Bart steht dir gut. Er verleiht dir etwas Philosophisches. So ungefähr mag der junge Aristoteles ausgesehen haben. Nimm ihn zum Vorbild, und trage nicht

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