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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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nichts für ungut, edler Tribun«, sagte Martialis und stürzte hastig den Wein hinab, den Fuscus inzwischen gebracht hatte. »Wisst ihr schon die neueste Geschichte, die man sich über unseren göttlichen Cäsar erzählt?«
    »Nein, erzähle!«
    »Also, Nero war bei seiner alten Tante Domitia zu Gast. Ihr kennt sie, uralt, steinreich und geizig wie ein gadetanischer Maultiertreiber. Im Augenblick ist sie unwohl, wie ganz Rom weiß. Also, da sitzen sie nun zusammen, der junge Kaiser und seine alte Tante, und das alte Mädchen ist ganz gerührt über die hohe Ehre des Besuches. Sie mustert ihren Neffen und streicht über das Kinn ihres Neffen. Ihr wisst, er trägt neuerdings roten Bartflaum um den Mund, aber da es nicht so richtig sprießen will, sieht es aus, als habe man ihm den Tomatensaft nicht abgewischt. Sie muss wohl gesagt haben, dass er unmöglich damit aussieht. Nun, wie auch immer, Nero beginnt schon, sich beleidigt zu fühlen, da sagt sie noch: ›Sollte ich einmal erleben, dass du dir diesen Bart abnehmen lässt, kann ich in Frieden sterben.‹ Da ist der Cäsar aufgestanden«, Martialis fing prustend an zu lachen, »hat ihr Feder und Papyrus fürs Testament in die welken Hände gedrückt und laut nach dem nächsten Barbier gerufen. Ist das nicht komisch?«
    Der junge Spötter wollte sich schier ausschütten vor Lachen, und auch die beiden Männer stimmten in das Gelächter ein.
    »Horatius nennt dich einen jungen Stern am Dichterhimmel Roms«, sagte Valerius, nachdem sich das Lachen gelegt hatte. »Also, was schreibst du, junger Poet? Bist du ein Epiker wie Vergil, ein Satiriker wie Horatius, der verehrte Großonkel unseres Gastgebers, ein Historiker wie Sallustius oder ein Philosoph wie Cicero? Oder sind es die Elegien eines Catullus, die dich zum Stilus greifen lassen?«
    »Nichts davon, werter Herr«, lachte der junge Mann. Seine weißen Zähne strahlten, und seine Augen glühten im Feuer unbekümmerter Jugend.
    »Und doch suche ich mir von allem das heraus, was ich brauchen kann. An Catull studiere ich den Hendekasyllabus, an Ovid das elegische Distichon. Ich schreibe Epigramme, kurz und schmerzhaft. Und weil ich noch keinen Verleger habe, so schreibe ich sie an die Hauswände, bis mich die Sklaven davonjagen.«
    »An die Hauswände?«
    »An die Hauswände! Allemal haltbarer als jede Schriftrolle, nicht wahr? Und mein Thema ist nicht Troia, nicht Epikur, nicht der Bürgerkrieg, nicht die Philosophie. Nein, ich halte Gericht über jene, die uns zum Lachen bringen, ohne es zu wollen, ja ohne es zu wissen. Über die Reichen und Bettler, die Modegecken und Schmarotzer, die eitlen Müßiggänger und Geizhälse, die Trunkenbolde und die leichten Damen, die Spießer und Tölpel. Mein Thema sind die Herrinnen, die sich von ihren Sklaven den spröden Nacken küssen lassen und die geilen Herren, die am Abend gichtkrank in die Betten ihrer Sklavinnen hüpfen und mit ihrem welken Geschlecht winken. Ich schreibe gegen kleine Honorare noch kleinere Grabgedichte, satirische Zweizeiler für Hochzeiten, und für zwanzig Sesterzen beschreibe ich auch die Schönheit einer triefäugigen Herrin, wenn ich Hunger habe.«
    Hastig griff er nach einem weiteren Becher Wein und schnappte sich ungeniert ein Hühnerbein.
    »Gib uns ein Beispiel für deine spitze Zunge!«, forderte Horatius, und Martialis ließ sich das nicht zweimal sagen.
    »Kennt ihr Quintus und Thais, das herzige Pärchen? Nein? Nun, so hört:

    Thaida Quintus amat. Quam Thaida?
    Thaida luscam.
    Unum oculum Thais non habet, ille duos.
    Quintus liebt Thais. Welche Thais?
    Die Einäugige.
    Ein Auge hat Thais nicht, jener beide.

    Aber die Gute hat noch mehr Vorzüge:

    Thais habet nigros, niveos Laecamia dentes.
    Quae ratio est?
    Emptos haec habet, illa suos.
    Thais hat schwarze Zähne, weiße hat Laecamia.
    Was ist der Grund?
    Diese hat gekaufte, jene ihre eigenen!

    Die Männer brachen in ein brüllendes Gelächter aus, und Valerius bemerkte dankbar, dass er das Lachen noch nicht verlernt hatte.
    »Wohnst du noch bei deiner Tante?«, fragte Horatius und blickte seinen Gast mit Wärme an.
    »Die Gute hat mich hinausgeworfen. Ich kam ihr stets zu spät nach Hause. Außerdem meinte sie, ich hätte ihr zu oft die Küche geplündert, dabei hab’ ich nur das gegessen, was sonst andere verspeist haben.«
    Valerius lächelte. »Und wo logierst du jetzt? Sicher ist es schwierig, in Rom ein preisgünstiges Quartier zu finden.«
    Martial verzog das Gesicht. »Achter

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