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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Stadtbezirk, in der Nähe des Palatins in der Barbiergasse habe ich eine Dachkammer gefunden, hoch oben, dort wo die Tauben hausen. Zweihundert Stufen sind es herauf und herab. Quält mich nachts der Drang des Harns, muss ich die alle hinunter, und bin ich wieder oben, quält es mich wieder. Du musst wissen, ich habe neulich in einem Anfall von Zorn mein Nachtgeschirr aus dem Fenster geworfen.«
    »Und hast du getroffen?«
    Martial lachte laut. »Leider nicht, meine Zimmerwirtinnen Aelia und Pulchra konnten gerade noch ausweichen. Aber seitdemist das Zimmer noch zehn As teurer. Addier ich den Nachttopf dazu, fehlen mir drei warme Mahlzeiten die Woche. Dabei verdienen die grässlichen Weiber eh schon genug mit ihrem schmutzigen Gewerbe.«
    »Schmutziges Gewerbe? Was meinst du, Freund?« Neugierig lehnte sich Horatius nach vorne.
    »Pulchra lebt vom Wahrsagen, bietet Zauberkünste, verkuppelt junge Mädchen und stellt Wundermittel her, die nichts nützen, aber umso mehr stinken.«
    »Stinken? Wieso?«
    »Sie stellt sie aus den ekelhaftesten Abfällen her, die ihr euch vorstellen könnt. Und, bei den Göttern, glaubt es mir, die jungen Weiber kaufen und schlucken es. Ein Liebestrank für den jungen Galan, ein Blick in die ungewisse Zukunft? Pulchra hilft und wird gut dafür bezahlt. Sicher verdient sie mit ihrem Gebräu viel mehr als ich mit meinen Gedichten.«
    »Wovon lebt also ein junger Mann wie du?«, wollte Valerius wissen. Der junge Mann gefiel ihm außerordentlich gut.
    »Eine gute Frage, edler Namensvetter. Sieh, ich bin Klient, trinkfest und arbeitsscheu. Ich vertraue mehr meiner Zunge als meinen Händen. Wenn ich morgens müde und zerschlagen aufwache – ihr müsst wissen, in meiner Straße ist es sehr laut –, trete ich meine Rundreise durch die Empfangszimmer meiner Patrone an. Doch es ist schlimm: Kaum zwei oder drei in ganz Rom, die dieses Geschäft ernährt, die anderen sind vor Hunger blass.«
    Er nahm einen weiteren Hühnerschenkel und biss herzhaft hinein. Der Bursche schien ständig Hunger zu haben.
    »Und weiter«, drängte Horatius und schob die Speiseplatte näher zu ihm, was der junge Dichter mit einem dankbaren Lächeln quittierte. Er putzte sich den Mund ab, spülte mit einem kräftigen Schluck Wein nach und fuhr grinsend fort: »Freunde, was für ein Leben! Der eine Patron zahlt seinen Klienten täglich sechs Sesterzen, der andere schenkt dir gar eine abgelegte Tunica, von einem anderen wieder erhältst du eine zehnmal gewaschene Toga oder ein Paar abgetragener Sandalen und musst doch artig ›Danke‹ sagen. Nur selten gibt es eine Einladung zum Mittagessen. Bei Seneca, dem trefflichen Philosophen – ich zähle mich glücklich, bei ihmverkehren zu dürfen –, gibt es selten etwas zu essen, dafür aber weise Sprüche, die nicht sättigen. Oft genug, wenn der Abend naht, klimpern in meiner Tasche armselige fünf Sesterzen. Das reicht nicht einmal, um in einer der nahe liegenden Speisehäuser der Tiberschiffer einen halben Teller voll Grütze, etwas Olivenöl und ein Glas sauren Landweins zu genießen. Es ist schon wahr, der Dichter ist der Einzige in Rom, der nach dem Besuch des Gasthauses hungriger ist als vorher. Und hätte ich nicht edle Gönner, wie unseren verehrten Horatius hier, der mir hin und wieder mit einem Hühnerbein aushilft, müsste ich schon auf einen Strick sparen.«
    Martialis prostete seinem Gastgeber lachend zu, leerte seinen Becher und starrte gierig auf den Krug. Lächelnd füllte Horatius den Becher erneut. Martialis trank den Wein unvermischt, und entsprechend hitzig wurde seine Rede allmählich.
    »Kein Wunder, dass ich die Miete für den Verschlag, in dem ich hause, oft nicht rechtzeitig zahlen kann. Aber die triefäugige Aelia, meine andere Zimmerwirtin, hat dafür kein Verständnis. Sie ist eine boshafte alte Hexe. Keine Woche, in der sie mir nicht mit dem Aedil droht oder Ausquartierung verspricht, Schuldhaft gar. Ich hab’ ihr ein Blatt an die Tür geheftet. Das wird ihr wenig Freude machen.«
    »Was stand drauf ?«, wollte Horatius wissen.
    »Was drauf stand, wollt ihr wissen? Das stand drauf:

    Von Zähnen hattest du, soviel ich weiß, noch vier,
    ein Husten raubte zwei und zwei ein andrer dir,
    nun nimm getrost den dritten Husten an,
    nichts bleibt dir, Aelia, was er dir nehmen kann!«

    Valerius, der gerade einen seinen Becher ansetzte, fing prustend an zu lachen und stellte den Becher zurück.
    »Herrlich, mein junger Freund. Wie hat sie

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