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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Schlimmsten
    bewahrt. So wirst du aber sicher verstehen, dass ich dich heute
    nicht empfangen kann, auch wenn mein Herz darob ... schmerzt.
    Umso mehr freue ich mich auf deinen nächsten Besuch.
    Deine Mutter

    So, jetzt sorge dafür, dass es umgehend zum Palatium gebracht wird.«
    »Glaubst du, verehrte Augusta , dass er hinter diesem feigen Anschlag steckt?«, fragt Crepereius in der für ihn typischen Offenheit, das breite Gesicht kummervoll verzogen.
    Einen Augenblick sieht sie wie durch ihn hindurch. Dann antwortet sie, leise, kaum hörbar: »Mein Sohn, mein Mörder? Nie, nie, nie!«
    Und doch gehen ihr im gleichen Augenblick die Worte durch den Sinn, die der parthische Sterndeuter ihr nach der Geburt geweissagt hatte. »Du wirst einen Sohn haben, der wird Kaiser werden, aber er wird dich töten!«
    Und auch die stolzen Worte, die sie dem Manne zur Antwort gab, hat sie nicht vergessen: » Necet me, dum regnet – Mag er mich töten, wenn er nur Kaiser wird!« War jetzt die Zeit gekommen, das stolze Wort einzulösen?
    ***
    Es begann mit einem dumpfen rhythmischen Lärm, der alle Mauern zu durchdringen schien. Dazwischen die Behauptung einer kindlich hellen Stimme, dass Lucius ein dummer Affe sei, was der so Gescholtene mit der Bemerkung quittierte, dass Minucius ohne Zweifel das Gehirn eines schwachsinnigen Puniers habe. Schließlich eine sonore fremdländische Stimme, die allen Kindern, die jetzt nicht sofort hereinkämen, eine Züchtigung nach altrömischer Art versprach. Wenig später ertönten kindliche Stimmen im Chor, die lauthals ä ä ä ä ä und danach ö ö ö ö ö skandierten.
    Missmutig erhob sich Valerius von seinem Lager. Ein Blick durch das Fenster zeigte, dass die Sonne ihren Tageslauf noch nicht angetreten hatte. Er presste beide Hände gegen seine Schläfen, denn in seinem Kopf dröhnte es, als habe er in der letzten Nacht an einem orgiastischen Gelage teilgenommen. Wieder Stimmen und dumpfe Geräusche. Ein weiterer Blick auf die Straße brachte Klarheit: Das Wohnviertel seines Gastgebers war zwar frei von Durchgangsverkehr, aber kaum weniger laut als die übrigen Viertel. Schon vor Tagesanbruch hatten die Pistores ihr geräuschvolles Tagwerk begonnen. Der dumpfe, rhythmische Lärm stammte von den Sklaven, die Getreidekörner in großen Mörsern zerstampften. Und da die nächste Bäckerei und Mahlstube kaum hundert Fuß vonHoratius’ Haus entfernt war, kamen alle Anwohner in den zweifelhaften Genuss, diesem Lärmpegel ausgesetzt zu sein.
    Auch die zweite Lärmquelle war schnell ausgemacht. Genau gegenüber lag ein Ludus litterarum, eine Elementarschule für die Kleinsten. Der Unterricht begann hier offenbar noch bei Dunkelheit und fand unter einem zur Straße hin offenen Vordach statt. Etwa ein gutes Dutzend Kinder, allesamt Knaben, saßen um ihren Litterator herum und produzierten einen fröhlichen Krach aus Buchstaben. In der Mitte saß, auf einem erhöhten Lehnsessel, der Lehrer und dirigierte begeistert mit einem Stab den jugendlichen Chor. Vorsprechen, nachsprechen, vorsprechen, nachsprechen. Eine ganze Weile lauschte Valerius dem monotonen Sprechgesang müder Schüler. Er fühlte sich an einen Satz Ovids erinnert, den er irgendwann irgendwo einmal gelesen hatte. Darin hatte der Dichter der Morgenröte vorgeworfen: »Du betrügst die Knaben um ihren Schlaf und lieferst sie den Lehrern aus, damit ihre zarten Hände grausame Schläge über sich ergehen lassen.«
    »Und mich betrügst du auch um meinen Schlaf!«, ergänzte Valerius unwillig. Und wie zur Bestätigung von Ovids Befürchtungen tönte jetzt gellendes Schmerzgeschrei aus dem Schulzelt. Der Lehrer war aufgestanden und hatte seinen Stock auf den Fingern eines Zöglings tanzen lassen. »Ä ä ä ä habe ich gesagt, nicht ö ö ö! Wie willst du Maenander, Maecenas, Maecius, Maenalus aussprechen, wenn du diesen Buchstaben nicht beherrschst, nichtsnutziger Paternus?«
    Nach einer ausgiebigen kalten Wäsche und einem kleinen Frühstück aus Brot, kaltem Geflügel und Obst war die Stunde des Abschieds gekommen. Sein freundlicher Gastgeber hatte ihn mit allem ausgestattet, was er für die Reise brauchte, und ihn ein Stück des Weges begleitet. An der Porta Flaminia würden die Reisekutschen der Kaiserlichen Post ihn erwarten.
    Die Alta Semita, die hinab zum Forum führte, war auch jetzt zur fünften Stunde voller Leben. Eine Gruppe umherziehender Cynicer bettelte schamlos jeden an und gab in beredten Worten die selbst verschuldete

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