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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Bedürfnislosigkeit als Philosophie aus. Geldwechsler versprachen mit lautem Geschrei ehrlichen Handel. Sie trugen die Münzen auf einem Tragbrett wie in einem Bauchladen vor sich herund lockten die Kunden durch lautes Klappern mit den Münzen an. An der Ecke zum Argiletum hatte ein Barbier seinen Stand aufgeschlagen und stellte für acht As eine erfrischende Rasur in Aussicht. Wehmütig strich sich Valerius über den dichten schwarzen Bart. Wie gern hätte er sich davon befreien lassen, aber solange er in Rom war, musste er die Maskerade aufrechterhalten. Auch jetzt trug er noch einmal das unscheinbare Gewand des Provinzlers, aber er sehnte sich nach dem Zeitpunkt, an dem er endlich wieder die Rüstung eines Tribuns anlegen würde.
    »Ein paar As für einen armen Bettler! Ein paar As für einen armen Bettler!«
    Ein alter, triefäugiger Bettler hatte sich ihnen in den Weg gestellt und hielt beharrlich seine Hand auf. Ebenso müde wie kranke Augen aus einem von tausend Falten durchzogenen Gesicht blickten ihn stumpf an. Valerius kramte in seinem Geldbeutel und gab ihm einige Münzen. Unverständliche Dankesworte murmelnd, entfernte sich der Alte humpelnd.
    »Armer Hund!«, sagte Horatius. »Wahrscheinlich ein ehemaliger Schwefelholzhändler.«
    »Wieso?«
    »Sie verkaufen ihre Schwefelhölzer nicht, sondern tauschen sie gegen Altglas. Das wird dann in den Manufakturen auf der anderen Tiberseite aufgearbeitet und mit größerem Gewinn verkauft.«
    »Und was hat das mit seiner Augenkrankheit zu tun?«
    »Triefäugigkeit ist sozusagen die Berufskrankheit der Glasbläser«, gab Horatius lakonisch zurück.
    Valerius warf einen bewundernden Blick auf seinen Begleiter. Gab es irgendeine Frage, auf die der junge Mann keine Antwort wusste?
    Im gleichen Augenblick wurde die Aufmerksamkeit sämtlicher Passanten durch eine Schar seltsam gekleideter Männer erregt, die in geräuschvoller Ekstase über die Hauptstraße zog. Die Männer und Frauen waren alle in tiefschwarze Gewänder gekleidet, die bis zu den Füßen hinab auf den Boden hingen. Dazu führten sie wilde Tänze auf und fuchtelten wie wild mit kleinen Messern herum, mit denen sie sich von Zeit zu Zeit kleine Verwundungen im Gesicht und an den unbekleideten Armen zufügten.
    »Was sind das denn für Verrückte?«, wollte Valerius wissen.
    »Eine Turba entheata , eine gottbesessene Schar«, antwortete Horatius voller Abscheu. »Sie dienen der kappadokischen Göttin Ma-Bellona und haben jede Vernunft abgelegt.«
    »Und warum bringen sie sich Verletzungen bei?«
    »Sie glauben, dass sie in diesem Zustand wahrsagen können: Sanguis veritatem fert – Das Blut bringt die Wahrheit!«
    »Hast du nicht auch den Eindruck, dass in Rom alles von Tag zu Tag verrückter wird? Ich meine, so schlimm war es zu meiner Zeit nicht.«
    »Zu deiner Zeit? Du meinst, als du noch ein stolzer Tribun der Prätorianergarde warst? Aber du hast Recht. Wir hier bemerken das nicht mehr so, weil wir uns daran gewöhnt haben. Aber unser Petrus meint, Rom ist die Stadt des Teufels geworden, und es bedürfe einer großen Reinigung.«
    »Reinigung?«
    »Ich weiß auch nicht, was er damit meint. Aber wenn sie kommt, werden wir es merken.«
    Schweigend setzten die beiden Männer ihren Weg fort. Am Forum angekommen, verabschiedeten sie sich herzlich voneinander, nicht ohne sich gegenseitig zu versichern, brieflichen Kontakt zu halten. Lange blickte Valerius seinem neu gewonnenen Freund nach, der in Richtung Capitol davonging. Hätte er jedoch einen Blick nach links geworfen, dann wären ihm die beiden kräftigen Männer wohl kaum entgangen, die sich in den Schatten des Claudiusbogens drückten und ihn aufmerksam beobachteten. Jetzt lösten sie sich aus dem Schatten und strebten mit schnellen Schritten auf den Tribun zu. Das Forum war um diese Zeit noch nicht so bevölkert wie um die Mittagszeit. Dennoch hatten die beiden Männer Mühe, ihr Ziel zu erreichen. Valerius wollte gerade auf die Via Lata einbiegen, als er eine schwere Hand auf seiner Schulter spürte.
    »Auf ein Wort, guter Mann!«
    Der Sprecher war ein kräftiger Mann, etwas jünger als Valerius, und trug unter seinem braunen Mantel eine blutrote Tunica. Der Gesichtsausdruck beider Männer zeugte von einer mit höchster Dümmlichkeit gepaarten Verschlagenheit, der die Brutalität nicht fremd war.
    »Können wir dich einen Augenblick sprechen?«, sagte der Größere der beiden, und sein Ton machte deutlich, dass es sich weniger um eine freundliche

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