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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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noch nicht verloren, denn schon vor der Caupona standen die Frauen, die durch übertriebene Henna-Schminke und ihre (jedenfalls im Sommer) fast durchsichtigen Gewänder aus imitierter koischer Seide ihre Profession willig preisgaben. Die Frauen, die hier in der Kälte standen und auf Kunden warteten, waren für diebesseren Häuser der Stadt zu alt – und zu hässlich. Aber auch sie fanden ihre Kunden, meist unter Bettlern, entlaufenen Sklaven oder Tagelöhnern, die ihre paar As gerne für ein kurzes und meist unappetitliches Vergnügen opferten.
    In der kleinen Kneipe, die bis auf den letzten Platz gefüllt war, saß ein Mann, der sein Gesicht fast völlig unter der Kapuze seines Mantels verhüllt hatte, und stierte freudlos auf den Becher sauren Weins, den ihm Aulus eingeschenkt hatte. Seit einer Stunde wartete er jetzt schon, und immer noch nicht war der gekommen, auf den er so dringend wartete.
    Jetzt öffnete sich endlich die Tür. Ein Schwall frischer Winterluft zog durch die Schankstube und verdrängte für einen Augenblick die ekligen Ausdünstungen aus Schweiß, Urin und billigem Fusel, die sich im Schankraum gestaut hatten. Der Mann blickte hoch, und ein Grinsen zog über sein Gesicht.
    »Gut, dass du endlich kommst. Wie lange sollte ich denn noch warten, G...?«
    »Pscht! Nenne meinen Namen nicht, du Dummkopf!«
    Der Ankömmling presste seine Hand auf den Mund des Gastes und blickte sich um. Aber keiner der Gäste hatte diese Begegnung zur Kenntnis genommen, sie wären auch zu betrunken gewesen. Jetzt stimmten einige in der anderen Ecke ein ordinäres Lied an, und die anderen fielen begeistert ein.
    »Also, kommen wir zur Sache«, raunzte der Ankömmling, der viel Wert darauf legte, dass ihn sein Kapuzenmantel noch mehr tarnte als den anderen, denn er hatte die schwarze Kapuze so weit heruntergezogen, dass nur noch der Mund sichtbar war.
    »Schlimm genug, dass ich mich selbst in diese miese Absteige begeben muss. Was willst du?«
    »Ich muss verschwinden! Ich brauche Geld und eine Diploma .«
    »Eine Diploma ? Du musst verrückt sein! Wo soll ich die herbekommen?«
    »Du wirst das schon machen! Schließlich geht es um viel, nicht wahr?«
    Er nahm einen Schluck Wein, spuckte ihn aber sofort wieder aus.
    »Ungenießbar, das Gebräu, das Aulus hier ausschenkt. Darum solltet ihr euch mal kümmern!«
    »Sag, was du willst, und dann verschwinde!«
    »Ich hab’s dir schon gesagt«, sagte der andere im weinerlichen Ton. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich Silana vielleicht nicht mehr wiedersehe ...«
    »Selbst schuld, du Narr! Hättest du doch den Sattel verschwinden lassen, wie ich es dir gesagt habe.«
    »Kann man ahnen, dass da plötzlich so ein Tribun auftaucht und Fragen stellt?
    »Hör zu, Gulvenius! Hier sind zweihundert Sesterzen. Nimm sie und verschwinde! Und vergiss nicht, dass du schon fünfhundert bekommen hast.« Er holte aus seinem Mantel einen kleinen ledernen Beutel und drückte ihn dem anderen in die Hand.
    »Zweihundert Sesterzen?« Mit einem verächtlichen Lächeln wog der Mann den schmalen Beutel in seiner Hand. »Willst du mich zum Narren halten? Damit komme ich ja nicht einmal aus der Provinz heraus. Das Zehnfache will ich haben!«
    »Das Zehnfache? Die Götter müssen deinen Verstand geraubt haben.«
    Gulvenius straffte sich und packte sein Gegenüber am Arm.
    »So! Verstand geraubt, ja? Und wenn ich zu diesem Tribun gehe und ihm ein kleines Lied singe? Was dann? Dann fliegen du und dein ganzer Haufen auf, nicht wahr? Und das kostet dann mehr als zweitausend Sesterzen. In Rom wird man über deinen schäbigen Geiz schlecht denken. Was würde wohl N...?«
    »Halt’s Maul, Kerl! Du wirst doch diesen Namen nicht aussprechen! Also gut, du bekommst, was du verlangst. Aber so viel hab’ ich jetzt nicht bei mir. Sei morgen zur zwölften Stunde am Hafen, am Getreidespeicher des Vasenius. Dann kriegst du, was du verlangst.«
    »Aber keine Tricks, mein Guter! Ich komme. Zwölfte Stunde am Hafen! Am Speicher des Vasenius!«
    »Zwölfte Stunde am Hafen!«, murmelte der andere und verließ fluchtartig die Kaschemme.
    ***
    An der Südseite des Prätoriums , unweit vom Marstor, hatte man vor einigen Jahren ein kleines, einstöckiges Gebäude aus rotem Ziegel errichtet, die Statio der Vigiles , die Polizeistation. Die Lage war günstig, denn man war im Brandfall (und das war immer noch die bevorzugte Aufgabe der Männer) schnell in allen Gebieten der Stadt, vor allem in den dicht bebauten südlichen

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