Agrippina - Kaiserin von Rom
seinen Würzwein und nahm ein Stück des kalten Bratens. Dabei blickte er abwechselnd zu den beiden Männern, sagte aber kein Wort. Dann plötzlich, während er ein Stück Brot abbrach, fuhr er Gulvenius an: »Wie viel hat man dir bezahlt?«
»Bezahlt? Äh ... was ... was meinst du mit bezahlt?«
»Du warst es, der den Sattelgurt angeschnitten hat. Du wusstest ganz genau, dass dein Herr den Ritt nicht überleben würde. Warum hast du es getan? Wer hat dir den Auftrag gegeben? Sprich, oder du wirst unter der Folter reden!«
»Folter? Ich bin ein freier Mann. Ein Civis Romanus – ein römischer Bürger. Niemand darf mich foltern!«
»Ach ja?«, sagte Valerius gedehnt. »Und wie steht es mit den Sklaven hier? Zum Beispiel dem guten Volnix? Glaubst du nicht, dass er unter der Folter prächtig singen wird?«
»Aber der weiß ja nichts! Was soll der schon erzählen?«
»Ich ... ich wei... weiß nix, Herr, gar nix!« Stotternd vor Angst hatte sich Volnix eingemischt.
»So! Du weißt nichts. Wenn sich herausstellt, dass Petrusius von einem Sklaven ermordet wurde, werden alle Sklaven seines Haushalts hingerichtet – ist dir das eigentlich klar?«
Lähmendes Entsetzen bei Volnix.
»Das schließt übrigens die Freigelassenen seines Hauses ein!«, ergänzte Valerius genüsslich mit Blick auf Gulvenius.
»Er war’s, Herr. Er, nicht ich!«
Die Augen traten ihm fast aus den Höhlen, als Volnix das herausschrie. Er war aufgesprungen, und seine Finger zeigten anklagend auf den Verwalter.
»Schweig, du Narr! Du weißt ja nicht, was du sprichst!«
»Oh, ich weiß das sehr gut«, schrie Volnix, »glaubst du, ich hätte den Mann nicht gesehen, der dir den Geldbeutel zugesteckt hat?«
»Welchen Mann?«
Valerius war erregt aufgestanden. Endlich eine Spur!
»Nichts, Tribun!«, schrie Gulvenius mit heiserer Stimme dazwischen. »Er phantasiert. Da gab es keinen Mann und keinen Geldbeutel. Es gab auch keinen Mord, es war ein Unfall. Ein Unfall, hörst du, Tribun!«
»Ich werde dich mitnehmen auf die Statio der städtischen Polizei«, sagte Valerius kühl, »da magst du deine Geschichte erzählen. Wir werden die Wahrheit schon aus dir herauskriegen, mit oder ohne Folter.«
»Du machst einen Fehler, Tribun!«, erwiderte Gulvenius mit heiser krächzender Stimme. Sein Widerstand schien gebrochen. Dann blitzte es kurz in seinen Augen auf. »Darf ich ... darf ich mich noch von meinem Weib verabschieden?«
»Du darfst. Wo habt ihr euer Quartier?«
»Im ersten Stockwerk!«
»Ich werde dich begleiten!«
Gemeinsam gingen sie über die Holztreppe in den ersten Stock, wo der Verwalter und seine Frau wohnten.
»Lass mir zehn Minuten, Herr, bitte! Wer weiß, wann ich sie wiedersehe!«
»Von mir aus! Ich warte vor der Tür. Nimm dir ein paar Sachen mit, dein Aufenthalt in der Stadt dürfte länger dauern!«
Gulvenius verschwand hinter der Tür, und Valerius rieb sich erfreut die Hände. Das war mehr als eine Spur! Gulvenius würde ihn zu seinem Auftraggeber führen, und dann würden sie endlich wissen, wer hier in Colonia Claudia Ara Agrippinensium die Fäden in der Hand hielt. Mit etwas Glück würde die Spur sogar nach Rom führen, zu dem oder der geheimnisvollen Unbekannten. Oh, ihr unsterblichen Götter, lass es nicht den Cäsar selbst sein, von dem alles ausgeht, dachte Valerius. Dann ... dann wäre alles verloren. Falls es aber jemand aus seinem Umfeld wäre, dann gäbe es Hoffnung. Aber Agrippina und der gewiefte Niger würden schonwissen, wie man dann vorgehen müsste. Sein Problem wäre es nicht mehr, er hätte seinen Auftrag erfüllt.
Ungeduldig klopfte der Tribun gegen die Tür.
»Gulvenius? Gulvenius! Es ist Zeit, wir müssen gehen!«
Keine Antwort. Schweigen.
Valerius klopfte noch einmal gegen die Tür.
Keine Antwort! Heftig rüttelte Valerius an der Tür, sie gab nicht nach, keinen Deut. Zornig nahm der Tribun Anlauf und warf sich mit der ganzen Fülle seines kraftvollen Körpers gegen die Tür. Mit einem splitternden Geräusch gab die Tür nach, ein Teil fiel zu Boden. Der Raum hinter der Tür war leer. Eine weitere Tür wies zu einem Nebenraum, dem Schlafgemach.
»Gulvenius?«
Überrascht prallte Valerius zurück. Das war nicht der Verwalter, der sich da auf der Liege räkelte, das war sein Weib, nur notdürftig verhüllt und mit einem verführerischen Lächeln auf den rot geschminkten Lippen.
»Aber, mein stürmischer Tribun, du brauchst doch nicht gleich die Türe einzutreten. Ich warte schon eine ganze
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