Agrippina - Kaiserin von Rom
nicht, dass sich für mich etwas Besseres finden lässt?«
»Hm, schon möglich, ich meine ...«
»Noch etwas Wein, Tribun?« Ohne die Antwort abzuwarten, füllte Silana den Becher bis zum Rande.
Bei den Göttern, was für ein Wein! Passend zu diesem göttlichen Weib! Hastig stürzte er den Wein hinunter, als wollte ihm jemand den Becher abnehmen. Silana lächelte ihm zu. Sie lächelte in jener Mischung aus Überlegenheit und Berechnung, wie sie nur bei reifen Frauen vorkommt, die genau wissen, was sie wollen.
Täuschte er sich, oder war das ein Anflug von Hohn, der sich in Silanas Lächeln gemischt hatte? Er würde aufpassen müssen, sehr gut aufpassen müssen, damit nicht ...
Zwei weitere Vigiles kamen herein, der eine hatte einen Stapel Papiere in der Hand.
»Nichts zu finden, Tribun, kein Gulvenius, keine geheimen Papiere. Nur das hier, Rechnungen, Bestellungen, Verträge und so ein Zeug!«
»Leg es auf den Tisch, Gatruvius.«
»Jawohl, Tribun!«
»Gut! Äh ... abrücken, Männer. Ich komme später nach! Muss erst das Verhör hier zu Ende bringen!«
»Das Verhör? Selbstverständlich! Das Verhör!«
Die Männer salutierten und verließen den Raum. Minuten später war das Geräusch der abrückenden Reiter auf dem Hof zu hören.
»Und nun, mein schöner Tribun?«
Der Wein begann seine unheilvolle Wirkung zu entfalten. In Valerius’ Kopf begann ein Taumel der Gefühle zu toben. Welch ein Weib! Silana spürte die Wirkung, die sie auf den Tribun ausübte.
»Ich hätte da noch einige Papiere, die ... äh ... deinen Männern entgangen sein könnten. Willst du sie sehen?«
Unfähig, sich dem üblen Spiel der Frau zu entziehen, nickte Valerius tonlos. »Dann folge mir!«
Gemeinsam gingen sie die Treppe hoch und betraten Silanas Schlafzimmer. Valerius’ Männer hatten hier ordentlich gehaust und alles durcheinander geworfen. Aus den Schränken hatten sie Kleidungsstücke geholt und auf den Boden geworfen, den kleinen Schreibtisch umgedreht und den gesamten Inhalt auf dem Boden verstreut. Selbst das Bett hatten sie auseinander genommen und in einem Zustand zurückgelassen, der eher an eine wilde Liebesnacht als an eine geordnete Hausdurchsuchung denken ließ. Silana warf nur einen gleichgültigen Blick auf das Durcheinander.
»Wenn dich die Unordnung nicht stört«, flüsterte sie und zog ihn in zärtlicher Umarmung auf die Laken.
XIV.
Tod eines Verräters
Am südlichen Ende des Platzes, der vor dem Prätorium liegt, zweigt eine schmale Gasse zum Rhein ab. Sie führt zum Marstor, das später auch Porta Fori genannt wurde, denn hinter jenem Tor führt eine schmale Brücke auf die der Stadt vorgelagerte Rheininsel. Diese Insel, die sich in ihrer Länge über die Ostseite der gesamten Stadt erstreckt, beherbergt einen ausgedehnten Komplex von Lagerhallen, Scheunen und Speichern, in denen die Kaufleute Getreide, Wein und Öl, aber auch Glas- und Tonwaren oder Stoffballen lagern. Vor diesem Komplex findet sich ein beliebter Markt, der wegen seiner günstigen Preise bei den Agrippinensern mehr Anklang findet als die übrigen Märkte in der Stadt. Hier hat auch der noble Kaufmann Vasenius Tuscus seine Stände, und die hintere Lagerhalle gehört ihm. Jetzt zur zwölften Stunde sind die Stände freilich abgeräumt, und die Kunden haben die kleine Insel wieder zufrieden verlassen. In den Lagerhallen finden letzte Aufräumungsarbeiten statt, dann kehrt absolute Stille auf dem Inselchen ein. Lediglich der Nachtwächter, dem die Kontrolle des Komplexes obliegt, dreht einsam seine Runde, in der einen Hand die Lanze, in der anderen eine Fackel.
Es ist nicht mehr so kalt wie am Tag. Aus dem Westen kommt ein stürmischer, aber milder Wind, der die Kälte vertreibt und mit ihr den Nebel, der den Menschen in letzter Zeit viel zu schaffen gemacht hat. Eine einsame Gestalt duckt sich in den Windschatten, den die große Lagerhalle des Vasenius wirft. Gulvenius zieht den Kragen seines Mantels enger. Zwar hat die Kälte nachgelassen, hier und da taut bereits der Schnee weg, dafür fährt der stürmische Wind unter seinen Mantel. Jetzt knirschen Schritte im tauenden Schnee. Gulvenius duckt sich hinter eine Tonne. Ist das ...?
Nein, es ist der Nachtwächter. Gulvenius kennt ihn. Es ist ein Veteranus , ein ehemaliger Legionär. Ein hünenhafter Kerl, dem es nichts ausmacht, wenn nächtliche Besucher versuchen, in die ihmanvertrauten Speicher einzubrechen. Dafür hat er seine Lanze, und an der Seite baumelt sein altes
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