Agrippina - Kaiserin von Rom
gedient hatte, schien er die militärisch kurze Sprechweise eines Centurio überaus zu lieben. Er war Wachführer der Nachtwache gewesen und hatte um diese Zeit seinen Bericht abzugeben. Die sechste Stunde war Rapportstunde!
»Also?«, seufzte Valerius und räkelte sich unwohl auf seinem Stuhl. Solche Berichte gehörten meist zu den langweiligsten Dingen seines Dienstes.
»Also ... hatten einige Überfälle, überwiegend Westteil. Am Tempel des Jupiter Dolichenus wurde Mann namens Tomocrates überfallen, befand sich wohl gerade auf dem Heimweg.«
»Tomocrates?« Valerius wurde hellhörig.
So hatte der Majordomus im Hause des verstorbenen Aedils geheißen. Valerius erinnerte sich gut an ihn und seine Frau Lilia. Beides sehr freundliche Leute. In diesem Hause war Dirana Sklavin gewesen, bevor der furchtbare Aedil sie verkauft und Valerius sie auf abenteuerlichem Wege in Mogontiacum von dem grässlichen Metzger Quintus Vinucius freigekauft hatte, freilich nicht ohne sanfte Gewalt. Und Lilia war es gewesen, die Dirana beim ersten Treffen mit Valerius mit einem wunderschönen Kleid ihrer Herrin ausstaffiert hatte.
Dirana!
Er musste den Namen geflüstert haben, denn Phaidon fragte höflich nach: »Tribun?«
»Äh ... nichts, weiter!«
»Weiterer Überfall bei Thermen! Opfer gewisser Vestusian, Holzhändler und Schreiner, schwer verletzt. Unsere Leute konnten zwei Täter schnappen, einer entwischt.«
»Gut so! Weiter!«
»Am Marstempel wurde entlaufener Sklave festgenommen. Gehört dem Titus Volusenius. Wurde zur Bestrafung seinem Herrn übergeben!«
»Aha!«
Zufrieden registrierte Phaidon, dass er inzwischen einigermaßen die Aufmerksamkeit seines Tribuns hatte, und so fuhr er unbeschwert fort: »Dann Brand an Porta praetoria . Kleines Haus mit Bäckerei. Konnte gelöscht werden, bevor Feuer auf angrenzende Taberne übergriff.«
»Sehr schön! Weiter!«
»Beutelschneider gefasst! Hatte am Forum mehreren Passanten Geldbeutel abgeschnitten!«
»Was ist das für einer?«
»Germanischer Rumtreiber. Neu in der Stadt! Wurde mit Ruten verprügelt und aus der Stadt gejagt!«
»Fertig?«
»Noch nicht, Tribun!«
Ein tiefer Seufzer. Nahm das denn kein Ende? Es gab so viel Wichtiges zu tun. Er wollte unbedingt Dirana und seinen Sohn besuchen. Er musste unbedingt die Ermittlungen wegen der Agentenmorde fortsetzen, den Castix verhören. Schließlich war nicht weniger als das Leben der Augusta in Gefahr. Und hier ging es um Beutelschneider und entlaufene Sklaven! (Und der Erbstopf war auch inzwischen kalt!)
»Also weiter!«
»Am Rhenus wurde Leiche eine Mannes geborgen. Hatte sich am Uferholz verfangen. Muss schon lange dort gelegen haben.«
»Weiß man etwas über seine Identität?«
»Noch nicht, Tribun. Leiche wird noch untersucht. Liegt zur Zeit im Prätorium .«
»Im ... Prätorium ?«
»Im Keller dort! Peliodoros wird sie sich anschauen.«
»Hm ... gut! Sage mir Bescheid, wenn man Näheres weiß!«
»Jawohl, Tribun!«
Er bemerkte die wachsende Ungeduld seines Zuhörers und beeilte sich fortzufahren: »In der Gasse der Seidenweber am Capitolium wurde wieder Unrat auf die Straße ...«
»Erbarmen!«, rief Valerius nun mit gequälter Stimme. »Bitte, mein lieber Phaidon, kannst du mich nicht von solchen Nichtigkeiten verschonen?«
»Nichtigkeiten? Unrat landete auf Kopf von Gaius Sallustius Passienus. Immerhin ehemaliger Consul! «
Valerius musste schmunzeln. Auch diesen würdigen Herrn kannte er – und seine Gedanken gingen weit zurück in die Vergangenheit. Aquila Novaesia – Adler von Novaesium , so hieß das edle Gasthaus, in dem er mit Dirana den ersten Abend hatte verbringen wollen. Aber Dirana war zu diesem Zeitpunkt noch eine Serva gewesen, und Sklaven war das Betreten eines solch noblen Hauses natürlich verboten. Hätte ja auch niemand gemerkt, denn Dirana sah an diesem Abend – wie übrigens immer – wahrlich nicht wie eine Sklavin aus. Aber eben jener Consular Gaius Sallustius Passienus, der rührige Großneffe des in Rom überaus bekannten und geschätzten Schriftstellers, hatte es dem Wirt gesteckt, und derhatte natürlich nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sie des Hauses zu verweisen.
»Sklaven ist das Betreten dieses Hauses verboten!«
Die hohe Fistelstimme des Wirtes klang noch in seinen Ohren. Der Wirt, dieser hochnäsig blasierte Kerl! Wie hieß er noch? Faustus Syn… Sym...? Egal! Aber genau in diesem Augenblick war Valerius’ alter Freund Gaius Tullius Eximius dazugekommen
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