Agrippina - Kaiserin von Rom
Und? Nun lass dir doch nicht alles aus ...«
»Er brachte diese Nachricht!«
Eilig händigte er Valerius eine kleine Wachstafel aus, auf der hastig ein paar Worte gekritzelt waren.
An Marcus Valerius Aviola
Komm sofort nach Durnomagus auf mein Gut.
Höchste Eile erforderlich!
Subrius Caesonius
***
Nördlich von Colonia Agrippinensium gibt es einen kleinen Ort, den die Weltgeschichte vergessen hat: Burungum . Umgeben von dichtem Eichenwald ducken sich einige wenige Häuser in den Schatten der dunklen Bäume, ein verlassener Gutshof und ein uraltes Gasthaus liegen am Rande der winzigen Ortschaft. Die wenigen Leute hier sagen, dass dieses Gasthaus schon vor Zeiten des großen Cäsar hier gestanden habe, und der einäugige Wirt behauptet steif und fest, er habe sein Auge bei jener Schlacht verloren, die QuinctiliusVarus vor fast fünfzig Jahren gegen Arminius, den Cheruskerfürsten, geführt habe. Er gehöre zu den wenigen Überlebenden, und den vereinzelten Gästen, die sich heute noch in sein heruntergekommenes Haus verirren, erzählt er lang und breit von den blutigen Abenteuern vergangener Zeiten.
Früher freilich, als sein Weib Anicia noch gelebt hatte, war das Hospitium ein gern besuchtes Ausflugslokal für die Agrippinenser gewesen, und die Küche der Hausherrin galt selbst unter Kennern als ausgezeichnet. Mit ihrem Tod aber hatte alles abrupt ein Ende gefunden, und jetzt galt die Herberge nur noch unter Wegelagerern, Räubern und Schmugglern als Geheimtipp. Verirrt sich ein Reisender zufällig hierher, wendet er sich mit Grausen ab, wenn ihm noch die Zeit dazu bleibt. So mancher aber, der sich des Nachts in die Obhut des einäugigen Quinctilius – so nennt er sich frech nach seinem angeblichen Feldherrn – begibt, wacht umgeben von Mordbuben auf und tut bald seinen letzten Seufzer. Nie aber wird seine Leiche gefunden, denn die Wälder sind tief und verschwiegen!
Die beiden Männer, die sich schweigend im Hinterzimmer jener Kaschemme gegenübersitzen, müssen ein großes Interesse haben, nicht gesehen, geschweige denn erkannt zu werden. Obwohl die kalten Ostwinde nämlich längst durch milde Lüfte aus dem Westen abgelöst wurden, sind sie eingehüllt in dicke Mäntel, die Kapuzen weit ins Gesicht herabgezogen. Der eine von ihnen ist groß und von hagerer Gestalt, der andere einen Kopf kleiner, von verwachsener Statur. Schweigend starren sie auf das Kaminfeuer, das nur spärlich brennt, bis der Hagere das Gespräch beginnt: »Musste das sein?«
Der Kleinere dreht sich abrupt um, fixiert sein Gegenüber mit tückischen Augen und grinst. Die Narbe, die sich am Kinn dahinzieht, scheint durch das Grinsen um das Doppelte zu wachsen.
»Du meinst das Weib?«
Der Hagere nickt schweigend.
»Ja, es musste sein. War was Persönliches!«
»Hm! Woher hattest du das ... äh ... Zeug?«
Der Bucklige kichert albern. »Erinnerst du dich an Antrusta, die alte Hexe?«
Der andere nickt wieder. Nur zu gut erinnerte er sich an das teuflische Hexenweib, das vor Jahren in seiner Hütte verbranntwar. Sie war die Schwester von Locusta, der bekanntesten Giftmischerin Roms. Ohne jemals von gleicher Prominenz gewesen zu sein, hatte sie doch die Kunst des Mischens tödlicher Säfte genauso gut beherrscht.
»Ich hab’ es aus ihrem ... äh ... Nachlass.«
»Gut. Das ist deine Sache. Aber jetzt ist Schluss. Morgen stirbt sie, ich weiß es genau, hab’ meine Informationen. Und dann ist dein Auftrag hier erledigt!«
»Sie stirbt?«
Der Bucklige reibt sich die dürren Hände, und in seinen gelben Augen blitzt hämische Freude. Der andere blickt ihn aus kalten Augen durchdringend an.
»Ja, sie wird sterben, das Ziel ist erreicht! Hörst du? Ich sage es noch einmal, damit ist deine Mission, was das anbetrifft, hier erledigt. Den Tribun lässt du ungeschoren! Auch dazu gibt es klare Anweisung aus Rom. Man ist übrigens dort mit dir sehr zufrieden!«
Für einen Augenblick zieht schmerzliche Enttäuschung über die Miene des Alten.
»Der Tribun bleibt ungeschoren? Aber meine Vollm...«
»Vergiss sie! Du hast meinen Befehl vernommen!«
»Gut, ja. Ähm ... und zufrieden ist man, ja?« Der Bucklige lässt ein krächzendes Lachen hören, er hat die Enttäuschung schnell verwunden. Man wird ja sehen. »Zufrieden, ja? Heißt das ... äh, dass ich wieder nach Rom ...?«
»Nein! Noch nicht! Man hat einen neuen wichtigen Auftrag für dich.«
»Einen neuen Auftrag? Aber du sagtest doch, man ist zufrieden mit mir und deshalb
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