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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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würde.
    Denn ihre kleine Tochter Salania befindet sich in der Hand des Mannes, der die grausame Tat von ihr gefordert hat, und er hat keinen Zweifel daran gelassen, was Salania passieren wird, wenn sie das Verlangte nicht tut. Mit zynischen Worten hat er damit gedroht, die kleine achtjährige Salania an einen Sklavenhändler zu verkaufen, der orientalische Bordelle versorgt. Und auf die zaghafte Frage, warum die arme Frau sterben müsse, hat er voller Hass geschrien: »Was geht’s dich an, Sklavenhure! Das Weib muss sterben, nur das zählt!«
    Seit zwei Tagen gibt Sala nun die tödlichen Tropfen in die Brühe und hört erschreckt von deren Wirkung, denn im Haus wird von fast nichts anderem gesprochen. Für heute hatte man ihr gar die Verdopplung der Dosis befohlen, und im gleichen Maße hatte sich auch ihre Verzweiflung verdoppelt. Würde man ihre feige Tat entdecken, müsste das ihren sicheren Tod bedeuten. Würde sie sich aber weigern oder ihrem Herrn Anzeige machen, würde ihre Tochter ... Tränen der Verzweiflung rinnen über ihre dunklen Wangen und tropfen unbemerkt in die heiße Brühe. Niemand darf es merken, sonst ...
    Jetzt ist die Suppe fertig. Mit fliegenden Händen schöpft sie sie in die braune Trinkschale – und zuckt zusammen, denn laut hat Sempronia herübergerufen: »Ist die Suppe endlich fertig, Sala?«
    Die Sklavin nickt nur, heftig bemüht, den Schwall von Tränen zu unterdrücken, der sich in ihren Augen gesammelt hat.
    »Dann nimm von dem frischen Brot, und bring es unserer lieben Kranken. Verschütt’ aber nicht wieder die Hälfte wie gestern! Unddanach kannst du mit Latinia Kohl putzen, hörst du? Nun beeil dich schon, steh nicht so faul herum!«
    Die Herrin, mit der man sonst sein Auskommen hat, ist immer nervös, wenn am Abend Gäste kommen. Da tut man gut daran, ihr aus dem Wege zu gehen. Aus dem Tonkrug mit dem frischen Brot nimmt Sala eine kräftige Scheibe und verlässt zitternd die warme Kochstube. Hier im Atrium ist es kalt, denn die wärmenden Frühlingsstrahlen sind noch längst nicht durch das feste Gemäuer gedrungen. Mit zitternden, klammen Fingern holt sie die unheilbringende Phiole hervor und blickt sich um. Sie ist allein! Die Tränen rinnen über ihr Gesicht und sammeln sich auf dem mosaikbelegten Boden. Aber niemand sieht es! Sechs Tropfen träufelt sie in die Suppe, doppelt so viel wie bisher. Sechs Tropfen, die den Tod in sich tragen! Dann steigt sie mit schleppenden Schritten die Stufen zum ersten Stock hinauf. Sechs Tropfen! Nur noch wenige Schritte zu der Tür, hinter der die Todgeweihte liegt ...
    ***
    »Ich versteh’ das nicht«, murmelte Castus.
    »Was verstehst du nicht, Castus?«
    Unter den städtischen Vigiles nahm Castus eine besondere Stellung ein. In Abwesenheit des Tribuns fungierte er als dessen Stellvertreter. Da er in der Ubierstadt geboren war, gab es niemanden, der die Stadt, ihre zusammengewürfelte Bevölkerung, ihre Nöte und Probleme besser kannte als der stämmige rothaarige Mann.
    Castus kratzte sich an seinem wuscheligen Haarschopf und schüttelte den Kopf. Gleichzeitig wedelte er mit einer Schriftrolle.
    »Das Protokoll hier, die Aussagen, die Berichte. Es will alles nicht passen!«
    »Bei den Göttern, kannst du dich vielleicht etwas genauer ausdrücken?«
    Valerius hatte den kleinen Schreibtisch in seiner Statio verlassen und schaute aus dem kleinen Fenster auf den mächtigen Strom, der sich schlammbraun träge dahinwälzte. Jetzt im Frühjahr brachte erden ganzen Schlamm und Schmutz all der zahlreichen Nebenflüsse mit, den diese aus den Bergen herabtransportierten. Abrupt drehte sich Valerius herum und fixierte seinen Stellvertreter.
    »Also?«
    »Hm ... ich meine, die Sache mit Castix.«
    »Der Straßenräuber, den wir gestern festgenommen haben? Was ist mit ihm?«
    »Du musst wissen, Tribun, dass Castix eine Sodalitas , eine so genannte Bruderschaft befehligt.«
    »Ja und?«
    »Diese Bruderschaften existieren in der ganzen Stadt und sind bestens organisiert. Sie bieten den Händlern, Wirten und kleinen Kaufleuten ihren Schutz an, gegen entsprechende Bezahlung natürlich. Wir nennen das Schutzgelderpressung. Wer nicht zahlt, wird übel verprügelt, hin und wieder brennt auch ein Laden oder eine Garküche ab.« Er machte eine kurze Pause und leerte den kleinen Wasserkrug in einem Zug. »Außerdem überwachen sie die Straßen. Sie stehen vor allem nachts an den Kreuzungen und nehmen ›Wegezoll‹ von den Passanten. Es handelt sich meistens

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