Agrippina - Kaiserin von Rom
...«
»... deshalb erhältst du einen neuen Auftrag. Er kommt vom Cäsar höchstpersönlich, Tigellinus hat ihn unterschrieben.«
»Vom ... Cäsar persönlich? Worum handelt es sich?« Misstrauen färbt das alte Gesicht.
»Lies!«
An die Agentes in rebus in
Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Vom Tage des Erhalts dieser Verfügung an ist jene orientalische
Sekte, die Nazarener oder auch Christiani genannt werden,
streng zu überwachen. In ihre Versammlungen sind Agenten
einzuschleusen.
Die Führer der Sekte sind in ihrem täglichen Ablauf genauestens
zu überwachen.
Über alles müssen genaue Berichte angefertigt werden, die
zunächst dem regionalen Agentenführer zu übergeben sind,
sodann auf dem schnellsten Weg nach Rom zu senden sind.
Über die gesamte Aktion ist striktes Stillschweigen zu wahren.
Eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden des Magistrats,
insbesondere Polizei- oder Vigilbehörden ist untersagt!
T.
»Warum sollen diese harmlosen Spinner überwacht werden? Lass sie doch ihren gekreuzigten Eselsgott anbeten, sie tun doch keinem etwas. Ich selbst kenne einige von ihnen und ...«
»Halt’s Maul, alter Narr.« Der Hagere ereifert sich, seine Augen funkeln zornig. »Ich sitze nicht hier in dieser verkommenen Bruchbude, um mit dir über Befehle zu diskutieren, die von höchster Stelle kommen. Im Übrigen sind sie nicht harmlos. Diese Nazarener sind wie eine Pest, die sich langsam, aber sicher über das ganze Imperium ausbreitet. Man kann sie nicht mit Isis-Priestern oder Mithrasanhängern vergleichen. Sie kennen nur einen Gott und haben den Hochmut, alle anderen Götter zurückzuweisen. In ihrem gottlosen Frevel mögen sie auch die Göttlichkeit unseres Cäsars nicht anerkennen. Sie kennen keine Toleranz und verdienen also auch keine. Ich weiß aus höchsten Quellen Roms, dass man bald, sehr bald entschieden gegen sie und ihre Führer vorgehen wird. Und wenn das geschieht, müssen wir hier in der Provinz vorbereitet sein.«
»Wir?«, murmelt der Alte. »Wieso ... wieso leitest du dann nicht den Einsatz hier? Ich kann die Kälte und den Wind hier nicht mehr ertragen. Mir fehlt die Sonne, die Wärme, das Meer. Meine alten Knochen ...«
» Tace! Was interessieren mich deine alte Knochen? Häng dir von mir aus eine Pferdedecke um, aber komm mir nicht so! Ichwerde dringend in Rom gebraucht. Auch dort werden sich demnächst einige Dinge tun. Die Tage von Burrus und Seneca neigen sich dem Ende zu, und da ist es gut, wenn man in der Nähe ist. Der Kaiser wird Nachfolger suchen.«
Der Alte lacht geringschätzig und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Burrus! Seneca! Pah ... du willst ihnen auf ihre Stelle folgen? Die Schuhe dürften dir zu groß sein.«
»Was geht’s dich an, Alter? Tu du hier deine Arbeit gut, und du wirst die Sonne Italiens und den Glanz Roms bald wieder sehen. Ach, bevor ich es vergesse: Auch die städtischen Vigilbehörden haben den Auftrag zur Überwachung dieser Sekte erhalten. Sie stehen schon in dunklen Eingängen und beobachten, diese Anfänger. Lass sie ruhig gewähren, sie werden eh nichts herausfinden. Aber halt dich fern von ihnen, und verlass du dich nur auf unsere Leute!«
Aber der Alte mit dem Buckel hat schon gar nicht mehr hingehört. Er sieht sich in einer Caupona auf dem Forum Romanum sitzen, umgeben von wärmenden Sonnenstrahlen, und schlürft behaglich einen Becher Falernerweins.
»Und wenn dieser Auftrag erledigt ist, wird meine Verbannung aufgehoben?«
» Certe – sicher!«
»Und man wird mich nicht bestrafen für das, was ich ...?«
»Das hast du doch schriftlich, oder?«
Der Alte nickt. Aber er ist noch nicht zufrieden.
»Du schwörst es?«
»Ich schwöre es bei Jupiter und beim Capitol!«
»So sei es!«
Und während der Hagere noch eilends die ungastliche Stätte verlässt, zieht der Alte eine Schriftrolle aus seiner Tasche. Er streichelt sie, als wäre es das Wertvollste, was er auf dieser Welt hat. Dann steckt er sie mit einem zufriedenen Lächeln zurück in die Falten seines Gewandes.
***
Bei schnellem Ritt und ausgeruhtem Pferd benötigt man für die Strecke von Colonia Agrippinensium bis Durnomagus etwa eine Stunde. Valerius schaffte es in kaum mehr als vierzig Minuten, obwohl der einsetzende Regen die Straße schlüpfrig gemacht hatte. Am Ende der achten Stunde erreichte er atemlos das Weingut des Subrius Caesonius und übergab den schweißnassen Rappen einem herbeieilenden Sklaven. Der Hausherr erwartete ihn mit
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