Agrippina - Kaiserin von Rom
Öffnung mit einer Leiter, die wohl in einen Kellerraum führte. Valerius zögerte einen Augenblick, sah sich noch einmal um und stieg dann nach unten. Geräuschlos zog der Tribun sein Schwert aus der Scheide. Die bisherigen Vorfälle hatten ihn gelehrt, dass er nicht vorsichtig genug sein konnte.
Zuerst konnte er nichts erkennen, denn der Raum wurde nur durch das Licht zweier Öllämpchen spärlich erhellt, die auf einem Tisch standen. Die Wände des quadratischen Kellers bestanden aus unverputztem Lehm, gestützt nur von einigen massiven Holzbalken. Valerius stieg ein süßlicher Duft in die Nase, der den überall anwesenden Weingeruch allmählich zu verdrängen begann. Alssich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte er, dass unter dem Tisch zwei nackte Füße hervorlugten. Der Tribun nahm sich eines der Lämpchen, leuchtete unter den Tisch ... und schreckte zurück. Er blickte in die leblosen Augen eines Toten, die zur nackten Decke hinaufstarrten. In seiner Brust steckte ein Dolch, der das blaue Gewand über dem Herz rot eingefärbt hatte. Auf seiner Stirn trug der Tote in blutiger Schrift einen Buchstaben, den Valerius als N identifizierte. Es hätte auch ein M sein können, so genau ließ sich das nicht sagen, denn die Wunde war sehr verschmiert. Für einen kurzen Augenblick musste er an die Auseinandersetzung zwischen Narcissus und Claudius über den fraglichen Buchstaben denken. Plötzlich hörte er Stimmen in dem Laden über ihm ... offensichtlich zwei Frauen.
»Manlius, bist du da? Manlius!«
»Er wird sicher wieder betrunken sein. Wir wollen es später noch einmal versuchen. Jetzt gehen wir erst einmal zu Syphax und ...« Die Stimmen entfernten sich.
Valerius blickte sich in dem dunklen Raum um, fand aber nichts, was ihm interessant erschien. Er legte seine Hand auf die Stirn des Toten, bei dem es sich wahrscheinlich um den Weinhändler handelte. Sie war eiskalt, der Tod musste schon vor Stunden eingetreten sein. Jetzt erst bemerkte er, dass Pertinax mit seiner rechten Hand, die mit einem schweren, goldenen Siegelring geschmückt war, ein Papier umklammerte. Mühsam öffnete er die bereits erstarrten Finger, nahm das Papier heraus und steckte es ein, ohne einen Blick darauf zu werfen. Dann stieg der Tribun wieder nach oben. Er verließ den Laden des Pertinax, ohne dass ihn jemand gesehen hatte, wie er glaubte, und strebte mit schnellen Schritten zurück zum Forum .
Die Angelegenheit nahm immer groteskere Züge an. Dreimal hatte man versucht ihn umzubringen, und nun war auch sein Kontaktmann tot. Sein Gegner war schnell, sehr schnell. Aber ich kriege dich! Ich kriege dich, und ich werde alles aufdecken. Dann mögen die Götter Erbarmen mit dir haben!
***
»Ein Amulett! Schöner Fremder, kauf dieses Amulett, es wird dich vor allen Gefahren bewahren. Die Göttin Isis wird dir auf allen Wegen beistehen. Nur ein halbes As!«
Die Stimme der jungen, bildhübschen Verkäuferin riss Valerius aus seinen Gedanken. Er befand sich auf einer Seitenstraße zum Cardo Maximus , die auf direktem Wege zum Prätorium führte. Die Straße war gesäumt von Ständen und Buden, in denen überwiegend kleine Götterfiguren, Tempelchen und Amulette verkauft wurden. Valerius betrachtete die Verkäuferin näher, die sich jetzt an ihn drängte.
»Nur ein halbes As für dein Glück, Soldat!«
Strahlende Augen aus einem gebräunten Gesicht blickten ihn an, schneeweiß wie Perlen glänzten ihre Zähne, die Haare lang und tiefschwarz.
»Wie ist dein Name, Mädchen?«
Valerius wusste selbst nicht, warum er diese Frage stellte.
»Dirana, Herr! Kaufst du jetzt das Amulett?«
»Ja«, lachte Valerius, das Mädchen gefiel ihm. »Stehst du immer hier?«
»Nein, Herr, nicht jeden Tag! Meistens steht Rufilla hier, aber im Augenblick ist sie krank. Ich vertrete sie nur.« Sie lächelte ihn an.
Valerius gab ihr eine Münze und steckte das Amulett achtlos weg.
»Bist du eine Sklavin oder eine Freie?«, wollte er wissen.
Das Gesicht des Mädchens verdunkelte sich. »Was ist Freiheit? Ich habe sie jedenfalls nie kennen gelernt. Ich wurde als Sklavin geboren und werde auch als Sklavin sterben.«
»Wo wurdest du geboren, schönes Kind? Hier in der Ubierstadt?«
Dirana lachte. »Ei, der hohe Herr macht einer Sklavin feine Komplimente. Nein, nicht hier. Wie man mir sagte, wurde ich in Saguntum in Hispania als Kind von Sklaven geboren, aber an meine Eltern kann ich mich nicht erinnern. Dann hat mein Herr mich nach hier
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