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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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geworden war oder ob sie ihm seine plötzliche Abreise durch irgendeine Dummheit entgelten würde? Es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sein Auftrag erforderte volle Konzentration.
    Valerius beschloss, den Besuch in den Thermen mit einer Massage zu beenden. Im Unctorium überließ er sich den geübten Händen eines Masseurs und Einsalbers, eines kleinen, aber kräftigen Griechen, der ihm in schauderhaftem Latein seinen halben Lebenslauf erzählte. Mit einem Schaber entfernte er die Reste von Öl und Salbe und walkte ihn so heftig durch, dass Valerius Mühe hatte, Schmerzenslaute zu unterdrücken.
    »So, jetzt noch halb Stund ausruhen, dann wieder frisch«, radebrechte der Grieche und gab dem Tribun einen Klaps auf den Rücken. Erschöpft und zugleich entspannt suchte er den Ruheraumauf und legte sich auf eine der Liegen. Zwei weitere Liegen waren ebenfalls besetzt. Wieder überkam ihn eine angenehme Müdigkeit, der er sich bereitwillig hingab. Er schloss die Augen und sah Agrippina vor sich, die machtbesessene Kaiserin, Seneca, den Philosoph am Kaiserhof, Nero, den jungen Thronfolger, und Cynthia, seine störrische Geliebte ...
    Er hätte nicht sagen können, was ihn veranlasste, plötzlich die Augen zu öffnen. Vielleicht war es das leise Platschen nasser Sandalen, die sich näherten. Ein riesenhafter Mann stand vor ihm und sah ihn aus kalten Augen an. In seinen Händen hielt er ein dünnes Seil, das er im nächsten Moment um den Hals des überraschten Tribuns schlang und zuzuziehen versuchte. Valerius ließ sich von der Liege fallen. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass die beiden anderen Liegen leer waren. Schweigend begannen die Männer ihren tödlichen Ringkampf, nur das Keuchen der beiden Kämpfer erfüllte den Raum. Valerius gelang es zwar, seinem Gegner das Seil zu entwinden, aber dafür legte der Riese seine gewaltigen Pranken um den Hals des Tribuns und drückte erbarmungslos zu.
    Valerius’ Widerstand begann zu erlahmen. Mit letzter Kraft schlug er mit seinen flachen Händen kräftig auf die Ohren seines Widersachers. Ein ächzendes Stöhnen, das bald in ein gereiztes Knurren überging, war die Antwort, und der Griff am Hals lockerte sich. Valerius nutzte seine Chance – mit zwei schnellen Schlägen gegen die Unterarme des Angreifers konnte er sich aus der tödlichen Umklammerung befreien. Der Mann fiel nach hinten und stieß mit dem Kopf gegen die steinerne Eckkante einer in die Wand eingelassenen Sitzbank. Ein dünnes Rinnsal aus Blut sickerte über den weißen Boden.
    Valerius stand auf und schüttelte sich. Ein Blick in die gebrochenen, weit aufgerissenen Augen seines Widersachers signalisierten ihm, dass der Kampf zu Ende war.
    »Was ist denn hier los?«
    Eine kreischende Stimme veranlasste Valerius, sich umzudrehen. Einer der beiden jungen Männer, die ihm ihre Dienste angeboten hatten, stand hinter ihm und blickte aus fassungslosen Augen auf den Toten.
    »Mord! Mord! Hier ist ein Mord geschehen! Zu Hilfe!«
    Der Jüngling schrie aus Leibeskräften und trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. Sekunden später standen der Grieche, der Valerius massiert hatte, und ein weiterer Mann in einer weißen Tunika im Raum, dessen dickliches, teigiges Gesicht vor Aufregung rot glänzte.
    »Ich bin Gaius Vironius, der Pächter«, stellte sich der Dicke vor. »Was geht hier vor? Du schuldest mir eine Erklärung!«
    Valerius erklärte, was sich abgespielt hatte und wies zum Beweis auf das Seil, das neben dem Toten lag.
    »Ein Mordversuch! Wie furchtbar! Und das in meinen Thermen! Als wenn wir in letzter Zeit nicht schon genug Morde in unserer schönen kleinen Stadt gehabt hätten! Man muss den Aedil holen«, jammerte er, »welch ein Skandal. Noch nie hat es das hier gegeben, welch eine Schande!«
    »Polynios«, wandte er sich an den Griechen, »geh und hol den Aedil und seine Leute. Und du«, er zeigte mit seinem dicken Finger auf den Tribun, »du bleibst hier, bis alles aufgeklärt ist.«
    »Zunächst werde ich mich anziehen«, sagte Valerius gelassen und tastete mit der Hand nach den Druckstellen am Hals, die die Finger des Riesen zurückgelassen hatten. Zusammen mit Gaius Vironius, dessen argwöhnischer Blick ihn nicht aus dem Auge ließ, ging er in den Umkleideraum, wo ihn ein bleicher Sklave zitternd erwartete. Valerius sorgte sich, dass seine Sachen gestohlen sein könnten, aber auch diesmal war noch alles vorhanden. Rasch legte er Uniform und Rüstung an, was Vironius in

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